Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
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gen persönlicher Art und die besonderen Zwecke des Augenblicks lassen die Lehre im-
mer wieder anders erscheinen.
Ein Unterricht sieht anders aus, wenn er sich an die Masse des Durchschnitts hält,
als wenn er sich an eine Auswahl | Begabter wendet. Schulen und Universität sind zu 76
unterscheiden. Die Schulen sollen alle ihnen anvertrauten Zöglinge lehren und erzie-
hen. Die Universität ist dazu keineswegs verpflichtet. Der Sinn der Universitätsbildung
ist, daß sie nur einer Auswahl solcher Menschen zukommt, die von ungewöhnlichem
geistigen Willen beseelt sind und zureichende Werkzeuge haben. Tatsächlich kommt
zur Universität aber eine durchschnittliche Masse von Menschen, die durch den Be-
such einer höheren Schule sich die erforderlichen Kenntnisse erwerben konnten. Die
geistige Auslese ist daher an die Universität selbst verlegt. Das Wichtigste, der Wille zur
Objektivität29 und das unbezähmbare, opferbereite Drängen zum Geist, sind gar nicht
vorher, es direkt feststehend erkennbar. Diese Anlage, die nur bei einer Minorität von
Menschen unberechenbarer Verteilung durch Schichten und Klassen vorhanden ist,
kann indirekt bevorzugt und zur Wirksamkeit gebracht werden. Die Lehre an der
Hochschule hat sich der Idee der Universität nach auf diese Minorität einzustellen.
Der echte Student vermag unter Schwierigkeiten und unter Irrtümern, die für die gei-
stige Entwicklung nötig und unausweichlich sind, in dem reichen Angebot an der Uni-
versität seinen Weg durch Auswahl und Strenge seines Studiums zu finden. Es ist in
Kauf zu nehmen, vielleicht sogar erwünscht, daß die anderen in Ratlosigkeit, wie sie
es anfangen sollen, aus Mangel an Leitung und Vorschrift möglichst gar nichts lernen.
Die künstlichen Gängelbänder, die Studienpläne und alle die anderen Wege der Ver-
schulung widersprechen der Universitätsidee und sind aus Anpassung entstanden.
Man sagte sich: die Masse der Studenten, die zu uns kommt, muß etwas lernen, jeden-
falls so viel, daß die Examina bestanden werden können. Dieser Grundsatz ist für die
Schule ebenso trefflich, wie er für die Universität, die ja auch schon dem Alter nach
Erwachsene als Studenten hat, verderblich ist.
Bei der Hochschullehre kann es sich aber trotz allem nicht um die ganz wenigen
Allerbesten handeln. Erwin Rohde86 meinte: von 100 Hörern verständen den Dozen-
ten 99 nicht, und der hundertste brauche ihn nicht.87 Das wäre trostlos. Es kommt auf
jene Minorität an, die das Studium braucht, aber nicht auf den Durchschnitt. Die Lehre
wendet sich nicht an die | Hervorragendsten, nicht an die Mittelmäßigen, sondern an 77
diejenigen, die des Aufschwungs und der Initiative fähig sind, aber der Lehre bedürfen.
Unterricht - im Unterschied von Hochschullehre -, der einen Stoff einprägt, ist
wohl auch immer unumgänglich. Aber die führende Universitätslehre ist anders. Daß
Vorlesungen und Übungen derart sind, daß der Student nicht ganz mitkommt, aber
darin den Anreiz gewinnt, durch gesteigerte Arbeit nachzukommen, ist besser als di-
daktisch vereinfachte Totalverständlichkeit. Eigener Umgang mit Büchern und eige-
ner Erwerb von Anschauung in Laboratorien, Sammlungen, Reisen muß von Anfang
an für den Einzelnen die Quelle des Studiums sein neben der Teilnahme an der Lehre.
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gen persönlicher Art und die besonderen Zwecke des Augenblicks lassen die Lehre im-
mer wieder anders erscheinen.
Ein Unterricht sieht anders aus, wenn er sich an die Masse des Durchschnitts hält,
als wenn er sich an eine Auswahl | Begabter wendet. Schulen und Universität sind zu 76
unterscheiden. Die Schulen sollen alle ihnen anvertrauten Zöglinge lehren und erzie-
hen. Die Universität ist dazu keineswegs verpflichtet. Der Sinn der Universitätsbildung
ist, daß sie nur einer Auswahl solcher Menschen zukommt, die von ungewöhnlichem
geistigen Willen beseelt sind und zureichende Werkzeuge haben. Tatsächlich kommt
zur Universität aber eine durchschnittliche Masse von Menschen, die durch den Be-
such einer höheren Schule sich die erforderlichen Kenntnisse erwerben konnten. Die
geistige Auslese ist daher an die Universität selbst verlegt. Das Wichtigste, der Wille zur
Objektivität29 und das unbezähmbare, opferbereite Drängen zum Geist, sind gar nicht
vorher, es direkt feststehend erkennbar. Diese Anlage, die nur bei einer Minorität von
Menschen unberechenbarer Verteilung durch Schichten und Klassen vorhanden ist,
kann indirekt bevorzugt und zur Wirksamkeit gebracht werden. Die Lehre an der
Hochschule hat sich der Idee der Universität nach auf diese Minorität einzustellen.
Der echte Student vermag unter Schwierigkeiten und unter Irrtümern, die für die gei-
stige Entwicklung nötig und unausweichlich sind, in dem reichen Angebot an der Uni-
versität seinen Weg durch Auswahl und Strenge seines Studiums zu finden. Es ist in
Kauf zu nehmen, vielleicht sogar erwünscht, daß die anderen in Ratlosigkeit, wie sie
es anfangen sollen, aus Mangel an Leitung und Vorschrift möglichst gar nichts lernen.
Die künstlichen Gängelbänder, die Studienpläne und alle die anderen Wege der Ver-
schulung widersprechen der Universitätsidee und sind aus Anpassung entstanden.
Man sagte sich: die Masse der Studenten, die zu uns kommt, muß etwas lernen, jeden-
falls so viel, daß die Examina bestanden werden können. Dieser Grundsatz ist für die
Schule ebenso trefflich, wie er für die Universität, die ja auch schon dem Alter nach
Erwachsene als Studenten hat, verderblich ist.
Bei der Hochschullehre kann es sich aber trotz allem nicht um die ganz wenigen
Allerbesten handeln. Erwin Rohde86 meinte: von 100 Hörern verständen den Dozen-
ten 99 nicht, und der hundertste brauche ihn nicht.87 Das wäre trostlos. Es kommt auf
jene Minorität an, die das Studium braucht, aber nicht auf den Durchschnitt. Die Lehre
wendet sich nicht an die | Hervorragendsten, nicht an die Mittelmäßigen, sondern an 77
diejenigen, die des Aufschwungs und der Initiative fähig sind, aber der Lehre bedürfen.
Unterricht - im Unterschied von Hochschullehre -, der einen Stoff einprägt, ist
wohl auch immer unumgänglich. Aber die führende Universitätslehre ist anders. Daß
Vorlesungen und Übungen derart sind, daß der Student nicht ganz mitkommt, aber
darin den Anreiz gewinnt, durch gesteigerte Arbeit nachzukommen, ist besser als di-
daktisch vereinfachte Totalverständlichkeit. Eigener Umgang mit Büchern und eige-
ner Erwerb von Anschauung in Laboratorien, Sammlungen, Reisen muß von Anfang
an für den Einzelnen die Quelle des Studiums sein neben der Teilnahme an der Lehre.