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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0408
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

333

| Das wäre eine Reihe der das Allgemeine suchenden Wissenschaften in der Reihe 98
von Schichten des Seins in der Welt.
Oder etwa in der absteigenden Ordnung: Geschichte des Kosmos, Erdgeschichte,
Lebensgeschichte, Menschheitsgeschichte, europäische Geschichte. Das wäre eine
Reihe der auf das Einmalige und daher Individuelle gehenden Wissenschaften.
Bei näherer Vergegenwärtigung zeigt sich, daß jedesmal nur ein Gesichtspunkt her-
ausgegriffen wurde, der die dann vorkommenden Wissenschaften nach einer ihrer Sei-
ten charakterisiert. Eine wirkliche Einteilung und Übersicht der gesamten Wissen-
schaften ist keineswegs erreicht. Diese Gruppierungen sind sofort fragwürdig. Es gibt
für uns keinen Standpunkt außerhalb, von dem der Kosmos der Wissenschaft als ein
geschlossenes Ganzes übersehbar wäre.
7. Unter der falschen Voraussetzung einer einzigen schon bestehenden richtigen
Wissenschaftseinteilung verfährt man bei der Erörterung der Stellung einer Wissen-
schaft so, als ob man sie durch Bezüge auf solche festen Punkte begrenzen und lokali-
sieren könne. Wenn man dagegen aus dem Gehalt einer Wissenschaft ihre Stellung im
ganzen fühlbar machen will, so führt der Weg umgekehrt in die Tiefe, aus der heraus
diese eine Wissenschaft wie ein Kosmos im kleinen, wie eine Repräsentanz des Wis-
sens überhaupt erscheinen kann. Denn es gibt kaum einen gehaltvollen Gegenstand,
der nicht schließlich in der Gesamtheit des Wissens aufgehoben wäre, dadurch daß
von überall her Licht auf ihn fällt, oder ebensosehr umgekehrt, daß von ihm her auch
alles andere Wissen aufleuchtet.
Das Eine des Wissens ist Idee. Jede Einteilung der Wissenschaften ist ein vorläufi-
ges Schema der Idee aus einem besonderen Gesichtspunkt in einer geistesgeschichtli-
chen Situation, und ist daher auch falsch. Das Eine liegt dann in einer durch das
Schema bevorzugten Wissenschaft.
8. Unter inhaltlichen Einteilungen der Erfahrungswissenschaften ist in neueren
Zeiten eine vorherrschend geworden, die der Naturwissenschaften und Geisteswissen-
schaften. Die Realität der Erfahrungswissenschaften ist entweder von außen ergriffen
wie die Materie, oder von innen verstanden, wie der Geist. Die Naturwissenschaften
erklären von außen durch | Kausalgesetz oder mathematische Konstruktionen, die Gei- 99
steswissenschaften verstehen von innen durch Sinngesetze.229
Aber solche Einteilung wird in den faktischen Forschungen stets durchbrochen. Da-
her ist eine Gruppierung, die ohne solche scheinbar eindeutige Logik verfährt und die
vorgefundenen Wissenschaften einigermaßen, ohne Abschluß und ohne Deduktion aus
einem Prinzip, zusammen ordnet, der faktischen Forschung und Gelehrsamkeit näher.
So unterscheidet die »American Academy of Arts and Sciences«397 drei Gruppen:
1. Die »humanities«: Philosophie, Theologie, Geschichte, Archäologie, Philologie, Linguistik,
Gelehrsamkeit (scholarship) und Kritik und Literatur und Künste (Architektur, Malerei, Musik).
2. Die »social Sciences«: Soziologie, Kulturanthropologie, Anthropogeographie, Sozialpsycho-
logie, Ökonomie, politische Wissenschaft, Verwaltung und Diplomatie.
 
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