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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0420
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

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den. | Disziplinarverfahren gegen Studenten sind Sache der Universität. Nur wo es sich 115
um Handlungen gegen das Strafgesetzbuch handelt, greift primär der Staat ein, des-
sen richterlicher Entscheidung erst später das Disziplinarverfahren folgt.
b) Das Prinzip der Universität ist geistesaristokratisch. Der Amerikaner Abraham
Flexner266 schrieb 1930 (Die Universitäten, deutsche Übers. 1932, S. 241): »Die Demo-
kratie ist keine geistige Möglichkeit, abgesehen von der Tatsache, daß jedes Indivi-
duum auf Grund seiner Fähigkeiten die Möglichkeit haben sollte, in die Geistesaristo-
kratie aufgenommen zu werden, ohne irgendwelche anderen Rücksichten. Wird man
ausreichende Maßnahmen finden, um die Mittelmäßigen und die Untauglichen aus-
zuschließen? Es wäre nicht nur für Deutschland, sondern auch für die ganze übrige
Welt ein trauriger Tag, wenn die deutsche soziale und politische Demokratie eines Ta-
ges keinen Platz mehr für eine Geistesaristokratie haben würde.«267
Geistige Aristokratie ist nicht eine soziologische Aristokratie. Jeder dazu Geborene
sollte den Weg zu den Studien finden. Diese Aristokratie ist Freiheit eigenen Ursprungs,
begegnet beim Erbadel wie beim Arbeiter, bei Reichen und bei Armen, überall gleich
selten. Sie kann nur eine Minorität sein. Die Studenten sollen aus dem gesamten Volk
als geistiger Adel an die Universität kommen.
Der Unterschied des geistigen Adels vom geistig Unfreien ist dieser: der erste denkt
Tag und Nacht an seine Sache und verzehrt sich, der zweite verlangt Trennung von Ar-
beit und Freizeit. Der erste geht auf eigenes Risiko seinen Weg, horchend auf die leise-
ste Stimme der Führung aus seinem Innern. Der zweite will Führung, Eehrplan, Ar-
beitsauftrag von außen. Der erste wagt das Scheitern, der zweite verlangt Garantie des
Erfolgs bei Fleiß.
Dem Adel ist Arbeit mit allen Kräften selbstverständlich, aber eher mit der Gebärde,
als ob er nichts täte. Die bloße Arbeit gilt ihm als geistige Trägheit, die bequem nur sich
abarbeitet und anstrengt. Denn wahre Arbeit ist sie ihm erst unter der inneren geisti-
gen Führung, die wählt, dem Vorstoß eine Grenze setzt und den Weg findet. Er drischt
wohl auch mit Hartnäckigkeit das Stroh, um das noch gesuchte Korn zu finden, aber
er | bleibt nicht beim Strohdreschen, sondern wiederholt die freien, überschauenden 116
Zwischenaugenblicke, versteht zu träumen und die innere Ruhe sich zu verschaffen,
der allein die Einfälle geschenkt werden.
Der geistig Unfreie stöhnt vor Arbeit. Er rühmt sich seines Fleißes. Sein Mangel ist,
daß er seine Freiheit nur als Willkür versteht, die er in der Beliebigkeit seiner Meinun-
gen übt und in dem Sichpreisgeben an Zerstreuungen zeigt - und als East fühlt, der er
schon als Student entrinnen möchte durch planmäßig von anderen geordneten Un-
terricht, ein bleibender Schüler, zum Gehorsam geboren. Geistige Arbeit, die er unter
Führung leistet, kann einen guten Sinn haben. Aber er soll wissen was er tut, und nicht
Ansprüche auf eine Geltung erheben, die ihm nicht zukommt.
Der geistige Adel, der die Bindungen der Autorität nicht mehr erfüllt vorfindet,
schafft sie sich selbst, in Besonnenheit die Ansprüche der hohen Überlieferung hö-
 
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