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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0434
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

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Tatsache ist z.B. die soziologische Herkunft geistig hervorragender Menschen in
bestimmten historischen Zeiten. Man kann fragen: Aus welchen Kreisen stammen die
hervorragenden Männer? Die berühmten Deutschen von 1700 bis 1860',52 deren Dar-
stellung in der allgemeinen deutschen Biographie zwei Seiten oder mehr einnimmt,
stammen zu 83,2% aus den oberen Ständen, zu 16,8% aus den niederen (Handwerker,
Bauern, Proletarier). Von denen, die aus niederen Ständen kommen, werden 32,7%
Künstler, 27,8% Akademiker, 14,6% Pfarrer, die übrigen Berufe beteiligen sich nur mit
kleinen Zahlen. In jenen Jahrhunderten übertraf die Gesamtzahl der Menschen der
niederen Stände die der höheren gewaltig. Die deutsche Kultur wurde von einer
Schicht einiger Zehntausende von Menschen gegenüber den Millionen der übrigen
getragen. Würde man meinen, die höheren Begabungen kämen von Natur den obe-
ren Schichten zu, so wäre das ein offenbarer Irrtum. Man wird vielmehr schließen, daß
bei den oberen Ständen die Bildungschancen, welche Voraussetzung höchster Leistun-
gen sind, erheblich günstiger liegen als bei den niederen.
Wenn man aber bei solchen Überlegungen voraussetzt, daß die Menschen der An-
lage nach in allen Schichten gleich geboren würden, und der Unterschied nur auf ei-
nem Unterschied der Chancen beruhe, so wäre das voreilig. Wenn die biologischen
Qualitäten durch die Art der Zuchtwahl bestimmt sind, so könnten auch anlagemäßige
Unterschiede von soziologischen Schichten, die eine alte Herkunft haben, bestehen.
Der Mensch wird seinem Wesen nach nicht einfach »geboren«. Es ist nicht gleichgül-
tig, woher einer kommt. Alles Sein des Menschen ist ein Ganzes aus geborenem Eigen-
wesen und Geschichte. Kinder aus Familien, die eine durch Generationen hindurch
überlieferte Bildung pflegen, sind als Erwachsene ursprünglich anders als alle übrigen.
Selbst größten geistigen Schöpfungen hängt ein Wesenszug dessen an, was der
Mensch als Kind erfuhr. Fichte hat unfehlbar | etwas Plebejisches trotz des hohen
Schwunges seines Genies, der seinerseits wieder durch einen Zug von Fanatisierung
und Engstirnigkeit an das Subalterne streift.
Der Wert der Tradition ist keineswegs allein maßgebend für die Auslese, steht nicht
einmal an bevorzugter Stelle. Aber dieser Wert der Tradition für das Wesen des Einzel-
nen darf nicht ignoriert bleiben, wenn man wahrhaftig und gerecht sein will. Was in
der Kindheit verloren war, ist niemals nachzuholen. Wer etwa in der Kindheit vom
Adel des Griechentums berührt wurde, hat in seiner Seele sein Leben lang ein Schwin-
gen, eine Leichtigkeit, einen Sinn für Rang und die Anschauung geistiger Höhe, die
ohne das vielleicht nie hätten entstehen können. Heute wurde ein unersetzliches kost-
bares Gut dieser Tradition gleichgültig vertan. Man konnte verführende Sätze hören
wie: »Das Vergangene war Glanz und Verhängnis. Jetzt handelt es sich um etwas, das
alle verstehen, an dem alle Anteil nehmen.«258 Mag sein und gewiß auch richtig! Eine
bestimmte Tradition kann nicht Bedingung sein, wo der Mensch aus traditionsloser

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Nach Maas: Über die Herkunftsbedingungen der geistigen Führer. Arch. f. Sozialwissenschaft, Bd. 41.
 
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