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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
hat. Die Universität wäre nicht mehr Hochschule, wenn eine durch Berechtigungen
ausgewählte Anzahl von Studierenden schulmäßig kontrolliert bis zum Ende des Stu-
diums den sicheren Weg hätte. Vielmehr ist das Wesen der Hochschule, daß die Aus-
wahl im Gang des Studiums durch den je Einzelnen im Verhalten zu sich selbst erfol-
gen muß unter der Gefahr, am Ende nichts gelernt zu haben und nichts zu können.
Diese Auswahl durch die geistige und institutionelle Situation zu gestalten, ist das ern-
steste und am Ende nicht rein lösbare Problem.
Die Prüfungen müssen gegenüber dem bisher Üblichen sowohl vereinfacht wie er-
weitert werden: vereinfacht durch Stoffbeschränkung und Verminderung ihrer Zahl,
erweitert durch Erfassen der gesamten geistigen Energien, des Urteils und Könnens der
Persönlichkeit.
Auf jedem Gebiet muß die Prüfung zugleich dem Beruf angemessen sein, für die sie
stattfindet. Bisher sind die Prüfungen der Juristen vielleicht die besten, die der Medi-
ziner die fragwürdigsten. Damit steht im Zusammenhang, daß bei den medizinischen
Prüfungen auf die Dauer niemand durchfällt, die Gefahr also eigentlich ausgeschlos-
sen, damit die Auslese aufgehoben ist.
Die Prüfungen brauchen als wesentlichen Unterbau anschauliche Zeugnisse über
Leistungen und Verhalten in Seminaren und anderer Gemeinschaftsarbeit. Bloße
Fleißzeugnisse und Noten sind gleichgültig; es muß sichtbar sein, worin die Leistung
bestand. Gute Arbeiten sind mit einzureichen.
In den Prüfungen ist außer den Kenntnissen vor allem das Verhalten und die Lei-
stung bei Lösung von Aufgaben zu beobachten, die Weise methodischen Operierens,
das Sehenkönnen, die Fähigkeit der zur jeweiligen Sache gehörenden Art des Sprechens
und Schreibens.
Die Prüfungen sind stofflich in weitem Spielraum von der Wahl des Prüflings ab-
hängig. Die Fiktion enzyklopädischer Kenntnisse ist preiszugeben. Es ist dafür zu sor-
gen, daß nicht gegen die Freiheit des Studierens doch unmerklich eine Schematik prü-
fender Dozenten Herr wird: so daß der Prüfling an Kolleghefte, Teilnahme an Übungen
seiner Examinatoren gebunden wird.
142 | Es ist eine bewußte Prüfungstechnik für Hochschulzwecke zu entwickeln in fort-
dauernder gegenseitiger Mitteilung von Erfahrungen und Gesichtspunkten. Der Ex-
aminator muß das Wesen der für die geistigen Berufe geborenen und erzogenen Per-
sönlichkeiten ständig vor Augen haben.
Schließlich: Prüfungen, Zeugnisse müssen so selten wie möglich sein.260 Sie zu häu-
fen, macht ihre Handhabung äußerlich quantitativ und faktisch verantwortungslos.
Wenn sie wenige sind, können sie mit vollem Ernst und gründlich vollzogen werden.
Der Leerlauf von Prüfungen und Zeugnissen bei quantitativ übermäßigen Anforderun-
gen an das Gedächtnis ist ergebnislos, weil diese Prüfungen keine wirkliche Auslese
mehr vollziehen helfen. Sie belasten trotz Leerlaufs die Kräfte der Forscher unverhält-
nismäßig und senken damit das Niveau geistigen Lebens.
Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
hat. Die Universität wäre nicht mehr Hochschule, wenn eine durch Berechtigungen
ausgewählte Anzahl von Studierenden schulmäßig kontrolliert bis zum Ende des Stu-
diums den sicheren Weg hätte. Vielmehr ist das Wesen der Hochschule, daß die Aus-
wahl im Gang des Studiums durch den je Einzelnen im Verhalten zu sich selbst erfol-
gen muß unter der Gefahr, am Ende nichts gelernt zu haben und nichts zu können.
Diese Auswahl durch die geistige und institutionelle Situation zu gestalten, ist das ern-
steste und am Ende nicht rein lösbare Problem.
Die Prüfungen müssen gegenüber dem bisher Üblichen sowohl vereinfacht wie er-
weitert werden: vereinfacht durch Stoffbeschränkung und Verminderung ihrer Zahl,
erweitert durch Erfassen der gesamten geistigen Energien, des Urteils und Könnens der
Persönlichkeit.
Auf jedem Gebiet muß die Prüfung zugleich dem Beruf angemessen sein, für die sie
stattfindet. Bisher sind die Prüfungen der Juristen vielleicht die besten, die der Medi-
ziner die fragwürdigsten. Damit steht im Zusammenhang, daß bei den medizinischen
Prüfungen auf die Dauer niemand durchfällt, die Gefahr also eigentlich ausgeschlos-
sen, damit die Auslese aufgehoben ist.
Die Prüfungen brauchen als wesentlichen Unterbau anschauliche Zeugnisse über
Leistungen und Verhalten in Seminaren und anderer Gemeinschaftsarbeit. Bloße
Fleißzeugnisse und Noten sind gleichgültig; es muß sichtbar sein, worin die Leistung
bestand. Gute Arbeiten sind mit einzureichen.
In den Prüfungen ist außer den Kenntnissen vor allem das Verhalten und die Lei-
stung bei Lösung von Aufgaben zu beobachten, die Weise methodischen Operierens,
das Sehenkönnen, die Fähigkeit der zur jeweiligen Sache gehörenden Art des Sprechens
und Schreibens.
Die Prüfungen sind stofflich in weitem Spielraum von der Wahl des Prüflings ab-
hängig. Die Fiktion enzyklopädischer Kenntnisse ist preiszugeben. Es ist dafür zu sor-
gen, daß nicht gegen die Freiheit des Studierens doch unmerklich eine Schematik prü-
fender Dozenten Herr wird: so daß der Prüfling an Kolleghefte, Teilnahme an Übungen
seiner Examinatoren gebunden wird.
142 | Es ist eine bewußte Prüfungstechnik für Hochschulzwecke zu entwickeln in fort-
dauernder gegenseitiger Mitteilung von Erfahrungen und Gesichtspunkten. Der Ex-
aminator muß das Wesen der für die geistigen Berufe geborenen und erzogenen Per-
sönlichkeiten ständig vor Augen haben.
Schließlich: Prüfungen, Zeugnisse müssen so selten wie möglich sein.260 Sie zu häu-
fen, macht ihre Handhabung äußerlich quantitativ und faktisch verantwortungslos.
Wenn sie wenige sind, können sie mit vollem Ernst und gründlich vollzogen werden.
Der Leerlauf von Prüfungen und Zeugnissen bei quantitativ übermäßigen Anforderun-
gen an das Gedächtnis ist ergebnislos, weil diese Prüfungen keine wirkliche Auslese
mehr vollziehen helfen. Sie belasten trotz Leerlaufs die Kräfte der Forscher unverhält-
nismäßig und senken damit das Niveau geistigen Lebens.