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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0497
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422

Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

222 tätigkeit als eines eigenständigen Berufes ist | eine weitere unerläßliche Voraussetzung
für das Entstehen einer neuen Gestalt der Universität.
Die moderne Wissenschaft ist in Forschung und Lehre eine institutsgebundene
Wissenschaft. Aber die ihr an der Universität als Forscher und Lehrer Dienenden, Lehr-
stuhlinhaber und Dozenten, können ihr nur in grundsätzlich gleicher Freiheit dienen.
Nicht amtliche Autoritätsvorrechte der Lehrstuhlinhaber und nicht amtlich-funktio-
nal beschränkte Rechte der Dozenten, sondern die grundsätzliche Gleichberechtigung
beider nach den wissenschaftlich-sachlichen Erfordernissen des Forschungs- und
Lehrbetriebs im Sinne des Kollegialprinzips sollte den Geist der Hierarchie des Lehr-
körpers wie auch seine Struktur bestimmen.
Die Erfordernisse der ständig sich erweiternden und spezialisierenden modernen
Wissenschaft machen es heute notwendig, die im selben Maße an Umfang und Bedeu-
tung zunehmende Dozententätigkeit als eigenen Beruf zu etablieren. Was sie dem Lehr-
auftrag nach, nicht aber nach den mit diesem zu verknüpfenden Rechten heute weitge-
hend schon ist, sollte legalisiert werden. Ebenso aber sollte das Amt des Lehrstuhlinhabers
in seinem geistigen Rang und seiner hohen Verantwortlichkeit neu begründet werden.
a) Der Lehrstuhlinhaber
Die an die Berufung auf einen Lehrstuhl zu knüpfenden Ansprüche können nicht
hoch genug gestellt werden. Nur der wissenschaftliche, geistige und ethische Rang ei-
ner Forscher- und Lehrerpersönlichkeit und nicht die bloße Tüchtigkeit und Bewäh-
rung in forschender und lehrender Praxis sollte Kriterium für die Berufung auf einen
Lehrstuhl sein. Auch nicht der lang bewährte Dozent sollte bei Berufungen, im Zwei-
felsfalle etwa, nur deshalb, weil er der bereits erprobte Universitätslehrer ist, einem
durch besondere Leistung hervorragenden, vielleicht aber gar nicht habilitierten For-
scher vorgezogen werden. Grundsätzlich ist der Beruf des Universitätslehrers auch je-
dem bloß formalen Vergleich mit dem Beruf eines Laufbahnbeamten zu entziehen.
Wenn auch die Lehrstuhlinhaber zumeist aus den Reihen der Dozenten berufen wer-
223 den, darf der Dozentenberuf selber doch in | keinem Sinne als Durchgangsstelle zum
Ordinariat aufgefaßt werden. Ein Lehrstuhl ist kein Berufsziel im Sinne des Berufszie-
les einer normalen Beamtenlaufbahn. Er wird nur auf dem Wege der Berufung verlie-
hen und bedeutet eine besondere Auszeichnung auf Grund besonderer schöpferischer
wissenschaftlicher und geistiger Leistungen. Aber gerade deshalb muß auch die Frei-
heit der Dozententätigkeit als eines eigenen, nicht weisungsgebundenen Berufes ga-
rantiert sein. Denn wirkliche Forscher- und Lehrerpersönlichkeiten, die eines Lehr-
stuhles würdig sind, werden sich nur im Medium der freien und geistigen Konkurrenz,
nicht aber im immer stickigen Klima eines zugleich bürokratisch-funktionalen und
zunftmäßigen Abhängigkeitsverhältnisses entfalten und bilden können. Um der Stei-
gerung des Ansehens der Lehrstühle willen ist es besser, sie unter Umständen, auch
auf längere Zeit, unbesetzt zu lassen, als sie mit zwar tüchtigen, aber den geistigen An-
 
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