Wissenschaft, Lehrfreiheit und Politik
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Wissenschaft und Technik bilden heute das Potential der Daseinsbedingungen des Staa-
tes. Der Stätte ihres geistigen Lebens, der Universität, kommt deshalb eine allen bloß
aktuellen Nützlichkeits- und Bedarfsdeckungsprinzipien übergeordnete Bedeutung zu.
Ließe es der Staat geschehen, daß die Universität zu einer letztlich nur technologischen
Ausbildungszwecken dienenden Schulanstalt wird, dann würde das in weiterer Konse-
quenz auch sein politischer Schaden sein.
Denn eine die Wissenschaft nur als Technologie behandelnde und vermittelnde Uni-
versität würde nicht mehr die Stätte des Gewissens des Wissens sein. Wird die Univer-
sität zur Schulanstalt für wissenschaftliche Techniker, dann kann sie auch dem Un-
geist der ideologischen Mächte nicht widerstehen, sondern wird diese selber anziehen
und sich ihnen ausliefern.
Ihrer seit langem geplanten Reform sollte eben deshalb eine verbindliche Bestimmung
ihres Begriffs und ihrer Aufgaben durch ein Hochschulrahmengesetz des Bundes vor-
ausgehen. Die so einzuleitende Universitätsreform würde damit den Charakter einer
politischen Willensentscheidung des mit ihr sein Wesen bezeugenden freien Staates
erhalten. Sie möchte dann nichts Geringeres bedeuten als die volle Verwirklichung
der bisher nur in ihrem zeitbedingten Bildungscharakter, nicht aber in ihrem politi-
schen Charakter zur Geltung gekommenen Universitätskonzeption Wilhelm von
Humboldts:466 dieses ersten und heute noch grundlegenden Entwurfes einer moder-
nen Universitätsgestalt durch einen Mann, dessen Geist Vorbild von Kultusministern
und Hochschulreferenten vielleicht noch heute sein könnte.
Jaspers: Sie haben zuletzt die politische Bedeutung der Lehr- und Forschungsfrei-
heit besonders hervorgehoben und zugleich die Reform im Sinne einer politischen
Notwendigkeit aufgefaßt.
Rossmann: Darf ich das noch kurz verdeutlichen? Die Fragen der Universität sind
unter dem Aspekt zu erwägen, daß der Kampf um die künftige Gestalt und Ordnung
einer freiheitlichen Menschenwelt geistig auf dem Boden der Wissenschaft ausgetra-
gen wird: im Westen wie im Osten.467 Denn Wissenschaft und Technik im weitesten
Sinne sind die das heutige menschliche Dasein und seine Ordnungsformen ermögli-
chenden, tragenden und gestaltenden Mächte. Deshalb sind heute die Denkungs- und
die Handlungsweisen der Völker auf entscheidende Weise davon abhängig, wie Natur-
wissenschaften und Technik, Geisteswissenschaften und Philosophie gelehrt und ver-
standen werden.
Jaspers: Wir sind einig. Die an sich apolitische Universität ist nur in dem einen
Punkte politisch: Die Freiheit von Lehre und Forschung hat zur Daseinsbedingung ein
freies Staatswesen. Sie selber stellt den Geist der Freiheit des Staatswesens dar. Sie stei-
gert ihn durch Erkenntnis der Wahrheit. Nur ein freies Staatswesen wird seinen Uni-
versitäten die volle, durch keine außerwissenschaftliche Beeinflussung eingeschränkte
Lehr- und Forschungsfreiheit garantieren. Umgekehrt ist die Universität selber ein po-
litisches Element der Freiheit dieses Staatswesens.
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Wissenschaft und Technik bilden heute das Potential der Daseinsbedingungen des Staa-
tes. Der Stätte ihres geistigen Lebens, der Universität, kommt deshalb eine allen bloß
aktuellen Nützlichkeits- und Bedarfsdeckungsprinzipien übergeordnete Bedeutung zu.
Ließe es der Staat geschehen, daß die Universität zu einer letztlich nur technologischen
Ausbildungszwecken dienenden Schulanstalt wird, dann würde das in weiterer Konse-
quenz auch sein politischer Schaden sein.
Denn eine die Wissenschaft nur als Technologie behandelnde und vermittelnde Uni-
versität würde nicht mehr die Stätte des Gewissens des Wissens sein. Wird die Univer-
sität zur Schulanstalt für wissenschaftliche Techniker, dann kann sie auch dem Un-
geist der ideologischen Mächte nicht widerstehen, sondern wird diese selber anziehen
und sich ihnen ausliefern.
Ihrer seit langem geplanten Reform sollte eben deshalb eine verbindliche Bestimmung
ihres Begriffs und ihrer Aufgaben durch ein Hochschulrahmengesetz des Bundes vor-
ausgehen. Die so einzuleitende Universitätsreform würde damit den Charakter einer
politischen Willensentscheidung des mit ihr sein Wesen bezeugenden freien Staates
erhalten. Sie möchte dann nichts Geringeres bedeuten als die volle Verwirklichung
der bisher nur in ihrem zeitbedingten Bildungscharakter, nicht aber in ihrem politi-
schen Charakter zur Geltung gekommenen Universitätskonzeption Wilhelm von
Humboldts:466 dieses ersten und heute noch grundlegenden Entwurfes einer moder-
nen Universitätsgestalt durch einen Mann, dessen Geist Vorbild von Kultusministern
und Hochschulreferenten vielleicht noch heute sein könnte.
Jaspers: Sie haben zuletzt die politische Bedeutung der Lehr- und Forschungsfrei-
heit besonders hervorgehoben und zugleich die Reform im Sinne einer politischen
Notwendigkeit aufgefaßt.
Rossmann: Darf ich das noch kurz verdeutlichen? Die Fragen der Universität sind
unter dem Aspekt zu erwägen, daß der Kampf um die künftige Gestalt und Ordnung
einer freiheitlichen Menschenwelt geistig auf dem Boden der Wissenschaft ausgetra-
gen wird: im Westen wie im Osten.467 Denn Wissenschaft und Technik im weitesten
Sinne sind die das heutige menschliche Dasein und seine Ordnungsformen ermögli-
chenden, tragenden und gestaltenden Mächte. Deshalb sind heute die Denkungs- und
die Handlungsweisen der Völker auf entscheidende Weise davon abhängig, wie Natur-
wissenschaften und Technik, Geisteswissenschaften und Philosophie gelehrt und ver-
standen werden.
Jaspers: Wir sind einig. Die an sich apolitische Universität ist nur in dem einen
Punkte politisch: Die Freiheit von Lehre und Forschung hat zur Daseinsbedingung ein
freies Staatswesen. Sie selber stellt den Geist der Freiheit des Staatswesens dar. Sie stei-
gert ihn durch Erkenntnis der Wahrheit. Nur ein freies Staatswesen wird seinen Uni-
versitäten die volle, durch keine außerwissenschaftliche Beeinflussung eingeschränkte
Lehr- und Forschungsfreiheit garantieren. Umgekehrt ist die Universität selber ein po-
litisches Element der Freiheit dieses Staatswesens.