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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2016 — 2017

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A. Das akademische Jahr 2016
DOI Kapitel:
I. Jahresfeier am 21.Mai 2016
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Festvortrag von Johannes Krause: „Die genetische Herkunft der Europäer: Biologische Anpassung und Mobilität in der Vorgeschichte“
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https://doi.org/10.11588/diglit.55652#0025
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Festvortrag von Johannes Krause

Menschen, die als Single Nucleotide Polymorphismen (SNPs) bezeichnet wer-
den, treten innerhalb einer einzigen menschlichen Population, wie den Europäern
oder den Asiaten, auf (Genomes Project et al. 2015). Mit anderen Worten: Um ei-
nen Großteil der genetischen Vielfalt der Menschen außerhalb Afrikas zu erfassen,
braucht man nicht möglichst weit voneinander entfernte Individuen zu untersu-
chen, sondern es reicht völlig aus, ein paar hundert Thüringer oder Rheinländer
genetisch miteinander zu vergleichen.
Eine weitere wichtige Erkenntnis populationsgenetischcr Forschung ist, dass
Afrikaner eine höhere genetische Vielfalt aufweisen, als die Populationen außer-
halb Afrikas. Diesen Befund interpretiert man als Beweis für den Ursprung des
modernen Menschen in Afrika (Genomes Project et al. 2015). Dies wird auch
deutlich, wenn man mit Hilfe der DNA Stammbäume rekonstruiert, in diesen
stellen sich die Menschen außerhalb Afrikas als kleiner Zweig der afrikanischen
Diversität dar, oder anders gesagt: Genetisch gesehen sind alle Menschen dieser
Erde Afrikaner!
Genetische Analysen erlauben es auch, die evolutionäre Abspaltung einzelner
menschlicher Populationen zeitlich einzuordnen. Dazu kalibriert man die soge-
nannte „molekulare Uhr“. Diese nimmt an, dass die Rate an genetischen Verände-
rungen (z. B. Mutationen) in der DNA-Sequenz des Menschen immer ungefähr
gleich hoch ist. Man geht heute davon aus, dass jeder Mensch in etwa 100 Basen-
veränderungen (Mutationen) in sich trägt, die in der Keimbahn der Eltern neu
entstanden sind und damit nicht teil der elterlichen DNA waren. Daraus ergibt
sich eine Mutationsrate des Menschen von circa 50 Veränderungen pro Genera-
tion pro Genom (Scally and Durbin 2012). Wenn man annimmt, dass pro Genera-
tion etwa 25-30 Jahre vergehen, kann man anhand der genetischen Unterschiede
zwischen zwei Populationen berechnen, vor wie vielen Jahren sich diese vonein-
ander getrennt haben. Vergleicht man beispielsweise die Unterschiede zwischen
Afrikanern und Nicht-Afrikanern (z. B. Europäer, Asiaten, Ureinwohner Aust-
raliens) kommt man auf eine Abspaltung vor ca. 2.000 bis 2.500 Generationen,
was einer Dauer von rund 50.000 bis 60.000 Jahren entspricht. Diese Berechnung
passt auch gut zu den existierenden archäologischen und paleoanthropologischen
Befunden, die darauf hinweisen, dass vor ca. 42.000 Jahren die ersten modernen
Menschen nach Europa einwanderten und den dort ansässigen Neandertaler ver-
drängten.
Ähnliche Berechnungen lassen sich auch für Populationsaufspaltungen zwi-
schen Asiaten und den Ureinwohnern Australiens oder Amerikas durchführen.
Häufig werden für solche Berechnungen jedoch nicht neue und damit eher seltene
Mutationen verwendet, sondern Verschiebungen in der Frequenz häufig vorkom-
mender Mutationen (z. B. SNPs). Die Häufigkeit dieser SNPs in menschlichen
Populationen verändert sich im Laufe der Zeit. Solche Veränderungen können
„gerichtet“ sein, z. B. wenn eine bestimmte genetische Variante zu einem biolo-

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