I. Jahresfeier am 21. Mai 2016
gischen Vorteil führt, wie etwa die Fähigkeit, Milch als Erwachsener zu verdauen
und so mehr Nahrung in einem neuen Lebensraum zu erschließen. Eine solche
„gerichtete Verschiebung“, die eine bestimmte vorteilhafte Genvariante bevorzugt,
bezeichnet man auch als positive Selektion. Auch das Gegenteil, eine „negative
Selektion“, kann der Fall sein, wenn eine bestimmte genetische Veränderung zur
Verringerung der Fitness des Individuums führt - etwa wenn ein Gen kaputt geht,
welches z. B. für die Nahrungsaufnahme wichtig war. Eine solche Veränderung
würde im Laufe der Zeit negativ selektiert, d. h. Individuen mit diesem Gendefekt
haben weniger oder keine Nachkommen, und werden wahrscheinlich nach weni-
gen Generationen wieder verschwinden.
Der Großteil der genetischen Unterschiede zwischen menschlichen Popula-
tionen führt allerdings nicht zu einer Selektion, sondern verhält sich neutral und
ist damit „ungerichtet“, das heißt, der Träger einer bestimmten Variante hat keinen
Vor- oder Nachteil gegenüber dem Träger der anderen Variante. Je länger Popu-
lationen voneinander getrennt leben bzw. keine Gene miteinander austauschen,
desto mehr Unterschiede in der Frequenz dieser SNPs sammeln sich an. Dieser
Prozess wird als genetische Drift bezeichnet. Sie führt auch dazu, dass diejenigen
Populationen, die sich in geographischer Nähe befinden, sich kürzlich vonein-
ander getrennt haben oder regelmäßig miteinander Gene austauschen, weniger
Frequenzunterschiede aufweisen als Populationen die geographisch voneinander
isoliert leben. So entsteht ein enger Zusammenhang zwischen menschlicher Ge-
netik und geographischer Herkunft.
Eine Studie um John Novembre aus dem Jahre 2008 konnte den Zusam-
menhang zwischen der geographischen Herkunft und der genetischen Zusam-
mensetzung besonders eindrucksvoll herausstellen (Novembre et al. 2008). Dem
Populationsgenetiker und seinem Team war es gelungen, nur anhand der geneti-
schen Unterschiede zwischen heutigen Einwohnern, deren Großeltern nicht wei-
ter als 200 km enfernt vom Wohnort ihrer Enkel lebten, eine genetische Karte zu
erstellen, die der Europakarte stark ähnelt. Damit wurde deutlich, dass es möglich
ist, nur anhand der genetischen Daten eines Menschen die geographische Herkunft
seiner Vorfahren abzulesen. Auffallend an dieser Studie war auch, dass sie für Eu-
ropa einen genetischen Gradienten aufzeigt, also eine kontinuierliche genetische
Veränderung, die sich keinesfalls mit den existierenden National- oder Sprach-
grenzen deckt bzw. diese wiederspiegelt: Genetisch betrachtet sind Ländergrenzen
unhaltbar. Anders verhält es sich dagegen mit schwer überwindbaren natürlichen
Grenzen: Geographische Isolation, wie etwa die Insellage Sardiniens, macht sich
genetisch deutlich bemerkbar und man kann davon sprechen, dass die Sarden eine
vom italienischen Festland abgegrenzte Population darstellen, ohne direkten gra-
duellen Übergang. Der für das Festland charakteristische Gradient macht deutlich,
dass benachbarte europäische Populationen im Laufe ihrer Geschichte immer auch
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gischen Vorteil führt, wie etwa die Fähigkeit, Milch als Erwachsener zu verdauen
und so mehr Nahrung in einem neuen Lebensraum zu erschließen. Eine solche
„gerichtete Verschiebung“, die eine bestimmte vorteilhafte Genvariante bevorzugt,
bezeichnet man auch als positive Selektion. Auch das Gegenteil, eine „negative
Selektion“, kann der Fall sein, wenn eine bestimmte genetische Veränderung zur
Verringerung der Fitness des Individuums führt - etwa wenn ein Gen kaputt geht,
welches z. B. für die Nahrungsaufnahme wichtig war. Eine solche Veränderung
würde im Laufe der Zeit negativ selektiert, d. h. Individuen mit diesem Gendefekt
haben weniger oder keine Nachkommen, und werden wahrscheinlich nach weni-
gen Generationen wieder verschwinden.
Der Großteil der genetischen Unterschiede zwischen menschlichen Popula-
tionen führt allerdings nicht zu einer Selektion, sondern verhält sich neutral und
ist damit „ungerichtet“, das heißt, der Träger einer bestimmten Variante hat keinen
Vor- oder Nachteil gegenüber dem Träger der anderen Variante. Je länger Popu-
lationen voneinander getrennt leben bzw. keine Gene miteinander austauschen,
desto mehr Unterschiede in der Frequenz dieser SNPs sammeln sich an. Dieser
Prozess wird als genetische Drift bezeichnet. Sie führt auch dazu, dass diejenigen
Populationen, die sich in geographischer Nähe befinden, sich kürzlich vonein-
ander getrennt haben oder regelmäßig miteinander Gene austauschen, weniger
Frequenzunterschiede aufweisen als Populationen die geographisch voneinander
isoliert leben. So entsteht ein enger Zusammenhang zwischen menschlicher Ge-
netik und geographischer Herkunft.
Eine Studie um John Novembre aus dem Jahre 2008 konnte den Zusam-
menhang zwischen der geographischen Herkunft und der genetischen Zusam-
mensetzung besonders eindrucksvoll herausstellen (Novembre et al. 2008). Dem
Populationsgenetiker und seinem Team war es gelungen, nur anhand der geneti-
schen Unterschiede zwischen heutigen Einwohnern, deren Großeltern nicht wei-
ter als 200 km enfernt vom Wohnort ihrer Enkel lebten, eine genetische Karte zu
erstellen, die der Europakarte stark ähnelt. Damit wurde deutlich, dass es möglich
ist, nur anhand der genetischen Daten eines Menschen die geographische Herkunft
seiner Vorfahren abzulesen. Auffallend an dieser Studie war auch, dass sie für Eu-
ropa einen genetischen Gradienten aufzeigt, also eine kontinuierliche genetische
Veränderung, die sich keinesfalls mit den existierenden National- oder Sprach-
grenzen deckt bzw. diese wiederspiegelt: Genetisch betrachtet sind Ländergrenzen
unhaltbar. Anders verhält es sich dagegen mit schwer überwindbaren natürlichen
Grenzen: Geographische Isolation, wie etwa die Insellage Sardiniens, macht sich
genetisch deutlich bemerkbar und man kann davon sprechen, dass die Sarden eine
vom italienischen Festland abgegrenzte Population darstellen, ohne direkten gra-
duellen Übergang. Der für das Festland charakteristische Gradient macht deutlich,
dass benachbarte europäische Populationen im Laufe ihrer Geschichte immer auch
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