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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2016 — 2017

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A. Das akademische Jahr 2016
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https://doi.org/10.11588/diglit.55652#0029
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Festvortrag von Johannes Krause

in den frühen Ackerbauern und damit ein eindeutiger Hinweis auf eine weitere
spätere Einwanderung.
Drei weitere Studien, die im Jahr 2015 publiziert wurden, haben die Geno-
me von insgesamt 230 prähistorischen Individuen aus West-Eurasien untersucht
(Allentoft et al. 2015; Haak et al. 2015; Mathieson et al. 2015). Die Individuen
stammen aus einem Zeitraum von 8.000 bis ca. 3.000 vor heute und belegen mit
ihren Genomen den großen genetischen Unterschied zwischen den frühen Acker-
bauern und den späten Jägern und Sammlern Europas. Es konnte unter anderem
gezeigt werden, dass die ersten Ackerbauern Europas eine verblüffend hohe ge-
netische Ähnlichkeit mit den frühen Ackerbauern Anatoliens sowie den heutigen
Einwohnern Sardiniens aufweisen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Sardinien
nach der Besiedlung durch frühe Ackerbauern vor ca. 7.000 Jahren kaum noch
zusätzliche genetische Komponenten von außerhalb der Insel hinzu bekommen
hat (Mathieson et al. 2015). Entwicklungsgeschichtlich konnte mithilfe der Ge-
nomanalysen der 230 Skelette auch gezeigt werden, dass der Anteil an Jäger und
Sammler DNA in den frühen Ackerbauern Zentraleuropas nach deren Einwande-
rung wieder anstieg. Daraus wurde geschlussfolgert, dass die frühen Ackerbauern
nach ihrer Einwanderung in Europa die dort ansässigen Jäger und Sammler nicht
verdrängten, sondern beide Populationen für mehrere tausend Jahre parallel exis-
tierten und sich erst dann genetisch vermischten.
Die Einwanderung der Steppennomaden
Eine der drei Studien um Wolfgang Haak stellte außerdem erstmals heraus, dass
es neben der Einwanderung der frühen Ackerbauern noch zu einer weiteren mas-
siven genetischen Einwanderung nach Europa kam (Haak et al. 2015). Diese er-
folgte in der Kupferzeit am Übergang zwischen Mittel- und Endneolithikum vor
ca. 4.800 Jahren in Zentraleuropa und etwas früher und später in anderen Teilen
Westeurasiens. Die ersten Spuren dieser massiven Einwanderung und der daraus
resultierenden genetischen Verschiebung fanden sich in Skeletten, die mit der vor
ca. 4.800 Jahren beginnenden Schnurkeramik-Kultur in Zentraleuropa in Verbin-
dung stehen.
Die Skelette mit schnurkeramischen Beigaben, wie z. B. mit Schnurmustern
verzierter Keramik, zeigten überraschendeiweise eine hohe genetische Ähnlich-
keit zu ca. 5.000 Jahre alten Individuen aus der pontischen Steppe nördlich des
Schwarzen und Kaspischen Meeres. Die dortigen Individuen standen mit der ma-
teriellen Kultur der Jamnaja in Verbindung, einer Population von Pastoralisten, die
einen nomadischen Lebensstil in der Steppe pflegten. Ihre Kultur zeichnet sich
auch durch eine vermehrte Nutzung von Rad und Wagen aus, was wahrscheinlich
auch eine erhöhte Mobilität zur Folge hatte. Die Gene dieser Menschen breite-
ten sich scheinbar im frühen fünften Jahrtausend vor heute in wenigen hundert

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