I. Jahresfeier am 21. Mai 2016
Jahren über die Steppe nach Osten bis ins Altai Gebirge und nach Westen bis in
die Schweiz aus. Für die Mittel-Elbe-Saale-Region, aus der ein Großteil der un-
tersuchten Skelette stammt, ließ sich berechnen, dass mehr als 75 % der ortsansäs-
sigen Ackerbauern-Gene durch die mit den Schnurkeramik assoziierten Gene aus
der Pontischen Steppe verdrängt wurden (Abb. 1). Innerhalb der nächsten Jahr-
hunderte breiten sich die Gene aus der Steppe in ganz Europa aus, sodass sie heute
bei allen Europäern zu finden sind, wobei der Anteil der Steppen-DNA im Nord-
osten Europas am höchsten ist und in Richtung Südwesten graduell abnimmt: Die
größte genetische Steppen-Komponente findet sich heute bei den Einwohnern
Estlands und die niedrigste bei den Einwohnern Sardiniens (Abb. 1).
Die erste große Einwanderung nach Europa vor ca. 7.500 Jahren lässt sich gut
durch den veränderten Lebensstil erklären: Ackerbau und Viehzucht ermöglich-
ten eine stabilere Versorgung mit Lebensmitteln und führten so zu einer Bevölke-
rungszunahme, die eine territoriale Ausbreitung der Ackerbauern nach sich zog.
Die zweite große Verschiebung in der genetischen Zusammensetzung der Euro-
päer vor ca. 4.800 Jahren infolge der massiven Einwanderung aus der pontischen
Steppe lässt sich nur schlecht mit der unterschiedlichen Lebensweise erklären,
da es sich - zumindest in Zentraleuropa - sowohl bei den Einwanderern aus der
Steppe als auch bei den bereits Ansässigen um Ackerbauern bzw. Viehzüchtern
handelte.
Hierzu gibt es verschiedene mögliche Erklärungsansätze: Eine Möglichkeit
wäre eine höhere Lebensmittelproduktion bei den Einwanderern aus der Steppe
durch die Erschließung von Weideflächen, die für Ackerbau nicht geeignet wa-
ren. Eine andere Möglichkeit wären kriegerische Auseinandersetzungen, wor-
auf archäologische Funde, unter anderem die für die Schnurkeramik typischen
Grabbeigaben wie Streitäxte, hindeuten und die dieser Kultur einst den Namen
Streitaxtkultur verliehen. Allerdings lassen sich bei den Skeletten dieser Zeit keine
Anzeichen für vermehrte Gewalt finden, die eine fast komplette Verdrängung der
lokalen Ackerbauern plausibel erklären könnten. Eine dritte mögliche Erklärung
könnte ein Zusammenbruch der ansässigen Ackerbauern-Population durch das
Auftreten von Krankheiten sein.
Die letztere Erklärung bekam im letzten Jahr Aufwind, als es Genetikern und
Archäologen um Simon Rassmussen von der Universität Kopenhagen gelang, aus
Skeletten der frühen Bronzezeit erstmals Pesterreger-Genome zu rekonstruie-
ren (Rasmussen et al. 2015). Die ältesten untersuchten Pesteregger stammen aus
ca. 5.200 Jahre alten Skeletten aus der zentralasiatischen Steppe. Dort könnte die
Krankheit ihren Ursprung haben. Es wurde auch spekuliert ob sich die Pest mit
den Steppenbewohnern nach Westen ausgebreitet hat. Darauf deutet hin, dass die
Forscher auch in ca. 4.500 Jahre alten Skeletten Zentraleuropas und des Baltikums
Pesterreger DNA fanden. Man kann also spekulieren, dass es vor 5.000 Jahren
zu einer ersten großen Pestepidemie kam, die sich aus der Steppe nach Westen
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Jahren über die Steppe nach Osten bis ins Altai Gebirge und nach Westen bis in
die Schweiz aus. Für die Mittel-Elbe-Saale-Region, aus der ein Großteil der un-
tersuchten Skelette stammt, ließ sich berechnen, dass mehr als 75 % der ortsansäs-
sigen Ackerbauern-Gene durch die mit den Schnurkeramik assoziierten Gene aus
der Pontischen Steppe verdrängt wurden (Abb. 1). Innerhalb der nächsten Jahr-
hunderte breiten sich die Gene aus der Steppe in ganz Europa aus, sodass sie heute
bei allen Europäern zu finden sind, wobei der Anteil der Steppen-DNA im Nord-
osten Europas am höchsten ist und in Richtung Südwesten graduell abnimmt: Die
größte genetische Steppen-Komponente findet sich heute bei den Einwohnern
Estlands und die niedrigste bei den Einwohnern Sardiniens (Abb. 1).
Die erste große Einwanderung nach Europa vor ca. 7.500 Jahren lässt sich gut
durch den veränderten Lebensstil erklären: Ackerbau und Viehzucht ermöglich-
ten eine stabilere Versorgung mit Lebensmitteln und führten so zu einer Bevölke-
rungszunahme, die eine territoriale Ausbreitung der Ackerbauern nach sich zog.
Die zweite große Verschiebung in der genetischen Zusammensetzung der Euro-
päer vor ca. 4.800 Jahren infolge der massiven Einwanderung aus der pontischen
Steppe lässt sich nur schlecht mit der unterschiedlichen Lebensweise erklären,
da es sich - zumindest in Zentraleuropa - sowohl bei den Einwanderern aus der
Steppe als auch bei den bereits Ansässigen um Ackerbauern bzw. Viehzüchtern
handelte.
Hierzu gibt es verschiedene mögliche Erklärungsansätze: Eine Möglichkeit
wäre eine höhere Lebensmittelproduktion bei den Einwanderern aus der Steppe
durch die Erschließung von Weideflächen, die für Ackerbau nicht geeignet wa-
ren. Eine andere Möglichkeit wären kriegerische Auseinandersetzungen, wor-
auf archäologische Funde, unter anderem die für die Schnurkeramik typischen
Grabbeigaben wie Streitäxte, hindeuten und die dieser Kultur einst den Namen
Streitaxtkultur verliehen. Allerdings lassen sich bei den Skeletten dieser Zeit keine
Anzeichen für vermehrte Gewalt finden, die eine fast komplette Verdrängung der
lokalen Ackerbauern plausibel erklären könnten. Eine dritte mögliche Erklärung
könnte ein Zusammenbruch der ansässigen Ackerbauern-Population durch das
Auftreten von Krankheiten sein.
Die letztere Erklärung bekam im letzten Jahr Aufwind, als es Genetikern und
Archäologen um Simon Rassmussen von der Universität Kopenhagen gelang, aus
Skeletten der frühen Bronzezeit erstmals Pesterreger-Genome zu rekonstruie-
ren (Rasmussen et al. 2015). Die ältesten untersuchten Pesteregger stammen aus
ca. 5.200 Jahre alten Skeletten aus der zentralasiatischen Steppe. Dort könnte die
Krankheit ihren Ursprung haben. Es wurde auch spekuliert ob sich die Pest mit
den Steppenbewohnern nach Westen ausgebreitet hat. Darauf deutet hin, dass die
Forscher auch in ca. 4.500 Jahre alten Skeletten Zentraleuropas und des Baltikums
Pesterreger DNA fanden. Man kann also spekulieren, dass es vor 5.000 Jahren
zu einer ersten großen Pestepidemie kam, die sich aus der Steppe nach Westen
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