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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2016 — 2017

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A. Das akademische Jahr 2016
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https://doi.org/10.11588/diglit.55652#0034
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I. Jahresfeier am 21. Mai 2016

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Analyse der Genome von alten
Skeletten aus der Vorgeschichte Europas erstaunlich viele biologische Verände-
rungen erkennen lässt. Innerhalb von nur wenigen tausend Jahren kam es zu zwei
massiven Einwanderungen nach Europa, die die genetische Zusammensetzung
der ansässigen Jäger und Sammler deutlich erweiterte. Mit den Einwanderern
aus dem Nahen Osten vor ca. 8.000 Jahren kamen auch die Landwirtschaft und
Viehzucht nach Europa und damit die Grundlage der Zivilisation/modernen Ge-
sellschaften. Gleichzeitig begannen sich Gene in Europa auszubreiten, die even-
tuell eine wichtige biologische Anpassung an das Leben als Ackerbauer in Europa
waren - wie z. B. helle Haut in Nordeuropa. Die Steppenbewohner Osteuropas
brachten vor rund 5.000 Jahren in der zweiten massiven Einwanderung neben
neuen Technologien und Kulturen auch Gene nach Europa, die es unter anderem
auch Erwachsenen erlauben, größere Mengen an Milch zu verdauen. Allerdings
deuten die genetischen Untersuchungen auch daraufhin, dass die zunehmende
Bevölkerungsdichte sowie Mobilität der Europäer die Ausbreitung von Krankhei-
ten mit sich brachte, mit eventuell katastrophalen Folgen. Mit den Einwanderern
kamen wahrscheinlich auch Sprachen nach Europa, viel deutet darauf hin, dass
auch die von den meisten heutigen Europäern gesprochenen Indoeuropäischen
Sprachen sich ursprünglich mit den Steppennomaden ausbreiteten (Haak et al.
2015).
Mit Hilfe genetischer Untersuchungen ist eindrucksvoll bestätigt worden,
dass Migration und Mobilität schon immer ein Teil der Menschheitsgeschichte
waren: Alle heutigen Europäer sind ein Potpourri von Genen aus unterschied-
lichen Teilen Eurasiens, das sich im Verlauf der letzten Jahrtausende vermisch-
te und keine klare genetische Abgrenzung zwischen den heutigen Einwohnern
Europas erkennen lässt. Es zeichnen sich aber Verwandtschaftsgradienten ab,
die nah beieinander wohnende Populationen auch genetisch näher verwandt er-
scheinen lassen, als geographisch weit entfernte Menschen. So sind z. B. heutige
Bewohner Süddeutschlands näher verwandt mit Ostfranzosen als mit Einwoh-
nern Ostdeutschlands. Letztere sind hingegen näher verwandt mit Menschen aus
dem heutigen Polen als mit Einwohnern des Rheinlandes. Aus genetischer Sicht
lassen sich keine Nationen als eigenständige Population erkennen. Eine weite-
re Erkenntnis besteht darin, dass innerhalb der Geschichte Europas mit großen
Einwanderungen auch immer Innovationen nach Europa gelangten, ohne die wir
wohl heute noch als dunkelhäutige Jäger und Sammler durch Europas Wälder
streifen würden.

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