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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2016 — 2017

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A. Das akademische Jahr 2016
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Mair, Christian: »It's good that everything's gone, except their language, which is everything«: Zur Definition des kommunikativen und kulturellen Raums der Weltsprache Englisch am Beginn des 21.Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.55652#0040
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II. Wissenschaftliche Vorträge

Probleme bei der Übersetzung von sozial- und geisteswissenschaftlicher Termino-
logie, die eher als die naturwissenschaftliche mit sprachspezifischen Diskurstradi-
tionen verwoben ist. Im Zentrum der Betrachtung stand jedoch der Sprachgebrauch
in der mündlichen Wissenschaftskommunikation und in der Lehre.
Ein historisches Analysebeispiel für mehrsprachige Naturwissenschaft gab
der österreichische Nobelpreisträger für Physik Erwin Schrödinger (1887-1961)
ab. Schrödinger, 1937 Professor in Graz, nachdem er aus politischen Gründen
seine weitaus prestigeträchtigere Professur in Berlin aufgegeben hatte, hielt einen
Vortrag auf einer Fachtagung in Italien in französischer Sprache.5 Aus heutiger
Sicht verblüffend ist dabei, dass er mit derart feinen rhetorischen Strategien ein
wirkungsvolles Zeichen seiner Distanz vom nationalsozialistischen Deutschland
setzen konnte, aber auch, dass sein Publikum, die Elite der zeitgenössischen Phy-
siker, seinen Ausführungen mehrheitlich zu folgen imstande war. Wie wir wissen,
wurde die mehrsprachige wissenschaftliche Welt in den Naturwissenschaften in
der Folge besonders schnell „aufgeräumt“, indem sich das Englische als Lingua
Franca durchsetzte.
Als letztes Demonstrationsbeispiel dienten die englischsprachigen („English
Medium of Instruction“ = EMI) Studiengänge, die sich im Zuge der Globalisie-
rung des „Marktes“ für universitäre Bildung zunehmend auch außerhalb der Ang-
lophonie etablieren. Es ist bei näherer Betrachtung völlig klar, dass die derzeitigen
sprachtechnokratischen Hilfestellungen bei der Einführung solcher Programme
— nämlich Überprüfung der Englischkenntnisse der Studierenden durch obliga-
torische standardisierte Tests (IELTS, TOEFL, etc.) und freiwillige Sprachkurse
für Lehrende — zu kurz greifen. Unter der einsprachig-englischen Hülle solcher
Angebote brodelt weiterhin die unterdrückte Mehrsprachigkeit und gelebte In-
terkulturalität aller Beteiligten. Die mächtigen Statusgruppen in EMI-Angeboten
an deutschen Universitäten sind die muttersprachlichen Sprecher des Englischen,
aber auch die deutschsprachigen Studiererenden und Lehrenden, die den gleichen
Dialekt des Lingua-Franca-Englisch sprechen und sich in den spezifisch deutschen
Gepflogenheiten akademischer Kommunikation auskennen. Es ist diese Gruppe,
die sich vereint weiß in der irrigen Überzeugung, dass Outsourcing von „outside re-
source using“ kommt, dass rentability6 (für „profitability“) ein ökonomischer Fach-
begriff ist und dass members of my chair sich nicht auf Teile eines Sitzmöbels bezieht.
Ohne sprachliches Prestige bleibt in diesem Kontext jedoch eine Studierende aus
Indien, die unter Umständen große Teile ihrer Schul- und Universitätsbildung

5 Ein Bericht findet sich in Walter Moore, Schrödinger: Life and Thought (Cambridge: CUP, 1989),
S.323.
6 Dieses Beispiel wie auch allgemeine Anregungen zu diesem Thema verdanke ich der Studie
von Susanne Gundermann, English-Medium Instruction: Modelling the Role of the Native Spea-
ker in a Lingua Franca Context (Diss. Univ. Freiburg, 2014); www.freidok.uni-freiburg.de/
volltexte/9795/.

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