Marcella Rietschel
z. B. durch die Erkrankung eines erstgradig Verwandten mit einer psychiatrischen
Störung einen massiven Risikozuwachs bedeuten kann. Formalgenetische Famili-
en- und bevölkerungsbasierte Untersuchungen belegen den substantiellen Beitrag
genetischer Faktoren am Zustandekommen psychischer Störungen, wobei dieser
Beitrag bei den selteneren psychischen Störungen im Vergleich zu den häufiger
auftretenden Störungen höher ist. So liegt der genetische Anteil bei Depressiven
Störungen und Alkoholmissbrauch, die eine Eebenszeitfrequenz von über 10 %
aufweisen, bei ca. 40 %, während er bei Schizophrenie und der Bipolaren Störung,
die beide eine Eebenszeitfrequenz von 0,5-1 % aufweisen, bei über 80 % liegt.
Die Identifizierung der Risikofaktoren auf molekularer Ebene erwies sich
jedoch als weitaus schwieriger als anfangs gedacht. Es wurde zunächst davon
ausgegangen, dass die Störungen, ähnlich wie bei monogen vererbten Erkran-
kungen, durch einzelne Mutationen bedingt seien und die Untersuchung von
mehrfach betroffenen Familien rasch zum Erfolg führe. Dies war ein Irrtum.
Heute geht man davon aus, dass solche Mutationen zwar existieren, aber sehr
selten sind und die Mehrzahl der Krankheitsfälle durch den kombinierten Effekt
von Varianten mit sehr kleinen, kleinen oder mittelstarken Effekten bedingt ist.
Das Ausbleiben positiver Ergebnisse führte nach den anfänglichen Erwartungen
zu einer gewissen Ernüchterung bei Forschern und Geldgebern. Eine Wende er-
gab sich jedoch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehntes mit dem Aufkom-
men genomweiter Assoziationsuntersuchungen. Der technologische Fortschritt
ermöglichte die zeitnahe genomweit systematische Untersuchung von Hundert-
tausenden von Varianten bei Tausenden von Patienten und Gesunden zu vertret-
baren Preisen. Durch die weltweite Zusammenarbeit psychiatrisch genetischer
Wissenschaftlern im neu gegründeten „Psychiatrie Genomics Consortium“ ge-
lang es in relativ kurzer Zeit, die für diese Untersuchungen notwendige Anzahl
von Patienten und Kontrollkollektiven zu erreichen und die nachgenannten Er-
folge zu erzielen. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass diese Zusammenarbeit
an sich einen großen Erfolg darstellt, da die Mehrzahl der Wissenschaftler zuvor
kaum dazu bereit war, ihre mühsam erhobenen Kollektive zur gemeinschaft-
lichen Analyse beizusteuern. Dennoch waren die Fortschritte zunächst über-
schaubar und die Kritiker des Untersuchungsansatz machten geltend, dass die
Identifikation einzelner Varianten, die jede für sich genommen nur unmerklich
zur Risikoerhöhung beiträgt, den Untersuchungsaufwand nicht rechtfertige und
dieser Ansatz zu keinen wesentlichen Erkenntnissen führe. Diese Stimmen wur-
den seit Oktober 2014 jedoch immer leiser, nachdem die ersten maßgeblichen
Ergebnisse erzielt worden waren: Durch die systematischen genomweiten Un-
tersuchungen an knapp 40.000 Patienten waren 108 mit der Störung signifikant
assoziierte Genorte identifiziert worden. Unter diesen Genen befanden sich eine
Reihe solcher Gene, von denen man seit langer Zeit überzeugt war, dass sie bei
der Krankheit eine Rolle spielen müssen, wie z. B. das Gen für den Dopamin D2
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z. B. durch die Erkrankung eines erstgradig Verwandten mit einer psychiatrischen
Störung einen massiven Risikozuwachs bedeuten kann. Formalgenetische Famili-
en- und bevölkerungsbasierte Untersuchungen belegen den substantiellen Beitrag
genetischer Faktoren am Zustandekommen psychischer Störungen, wobei dieser
Beitrag bei den selteneren psychischen Störungen im Vergleich zu den häufiger
auftretenden Störungen höher ist. So liegt der genetische Anteil bei Depressiven
Störungen und Alkoholmissbrauch, die eine Eebenszeitfrequenz von über 10 %
aufweisen, bei ca. 40 %, während er bei Schizophrenie und der Bipolaren Störung,
die beide eine Eebenszeitfrequenz von 0,5-1 % aufweisen, bei über 80 % liegt.
Die Identifizierung der Risikofaktoren auf molekularer Ebene erwies sich
jedoch als weitaus schwieriger als anfangs gedacht. Es wurde zunächst davon
ausgegangen, dass die Störungen, ähnlich wie bei monogen vererbten Erkran-
kungen, durch einzelne Mutationen bedingt seien und die Untersuchung von
mehrfach betroffenen Familien rasch zum Erfolg führe. Dies war ein Irrtum.
Heute geht man davon aus, dass solche Mutationen zwar existieren, aber sehr
selten sind und die Mehrzahl der Krankheitsfälle durch den kombinierten Effekt
von Varianten mit sehr kleinen, kleinen oder mittelstarken Effekten bedingt ist.
Das Ausbleiben positiver Ergebnisse führte nach den anfänglichen Erwartungen
zu einer gewissen Ernüchterung bei Forschern und Geldgebern. Eine Wende er-
gab sich jedoch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehntes mit dem Aufkom-
men genomweiter Assoziationsuntersuchungen. Der technologische Fortschritt
ermöglichte die zeitnahe genomweit systematische Untersuchung von Hundert-
tausenden von Varianten bei Tausenden von Patienten und Gesunden zu vertret-
baren Preisen. Durch die weltweite Zusammenarbeit psychiatrisch genetischer
Wissenschaftlern im neu gegründeten „Psychiatrie Genomics Consortium“ ge-
lang es in relativ kurzer Zeit, die für diese Untersuchungen notwendige Anzahl
von Patienten und Kontrollkollektiven zu erreichen und die nachgenannten Er-
folge zu erzielen. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass diese Zusammenarbeit
an sich einen großen Erfolg darstellt, da die Mehrzahl der Wissenschaftler zuvor
kaum dazu bereit war, ihre mühsam erhobenen Kollektive zur gemeinschaft-
lichen Analyse beizusteuern. Dennoch waren die Fortschritte zunächst über-
schaubar und die Kritiker des Untersuchungsansatz machten geltend, dass die
Identifikation einzelner Varianten, die jede für sich genommen nur unmerklich
zur Risikoerhöhung beiträgt, den Untersuchungsaufwand nicht rechtfertige und
dieser Ansatz zu keinen wesentlichen Erkenntnissen führe. Diese Stimmen wur-
den seit Oktober 2014 jedoch immer leiser, nachdem die ersten maßgeblichen
Ergebnisse erzielt worden waren: Durch die systematischen genomweiten Un-
tersuchungen an knapp 40.000 Patienten waren 108 mit der Störung signifikant
assoziierte Genorte identifiziert worden. Unter diesen Genen befanden sich eine
Reihe solcher Gene, von denen man seit langer Zeit überzeugt war, dass sie bei
der Krankheit eine Rolle spielen müssen, wie z. B. das Gen für den Dopamin D2
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