II. Wissenschaftliche Vorträge
steht der Fund sicherlich in Verbindung mit Fortpflanzung und Sexualität. Kürzlich
konnten Fragmente geborgen werden, die zu einer zweiten Venusflgur gehören.
Auch für die Frage nach den Anfängen der Musik erwiesen sich die Albhöhlen
als äußerst ergiebig. Dieselben archäologischen Schichten am Vogelherd, Geißen-
klösterle und Hohle Fels, aus denen zahlreiche Kunstwerke stammen, haben auch
ungefähr ein Dutzend Belege für Musikinstrumente geliefert. Bei allen diesen In-
strumenten handelt es sich um Bruchstücke von Flöten, darunter verschiedene
Flötenarten, die man aus den hohlen Flügelknochen von Schwänen und Geiern
Abb. 5: Elfenbeinflöte aus dem Gei-
ßenklösterle, etwa 40.000Jahre alt.
Foto:J. Liptäk,
© Universität Tübingen.
fertigte, dazu Flöten verschiedener Größen, die aus
massivem Mammut-Elfenbein geschnitzt wurden
(Abb. 5, Abb. 6). Letztere untermauern die Feststel-
lung, dass die Handwerker und Künstler aus dem
schwäbischen Aurignacien außerordentlich versierte
Elfenbeinschnitzer waren. Diese Musikinstrumente
sind die ältesten, die bisher weltweit bekannt sind
und demonstrieren, dass das Aurignacien nicht nur
die älteste Kulturphase war, in der regelhaft figür-
liche Darstellungen gefertigt wurden, sondern die
Menschen des Aurignacien waren auch die Ersten,
die eine archäologisch dokumentierte Musiktradi-
tion besaßen. Ähnlich wie im Falle der vielfältigen
und ästhetisch gelungenen figürlichen Kunstwerke,
sind diese frühen Musikinstrumente alles andere als
einfach oder primitiv. Die Flöten erlauben eine un-
erwartet große Bandbreite von Tönen und musikali-
schen Gestaltungsmöglichkeiten. Spannenderweise
lassen diese Instrumente Spieltechniken und musi-
kalische Ausdrucksweisen zu, die unter den gegen-
wärtigen Blasinstrumenten nicht bekannt sind.
In der archäologischen Überlieferung reprä-
sentieren unsere Quellen immer nur das Minimum
dessen, was in der Vergangenheit existierte. Daher
ist es ausgesprochen wahrscheinlich, dass im Auri-
gnacien auch andere Musikinstrumente aus weniger
erhaltungsfähigen Materialien vorhanden waren, die
nicht überliefert sind. Es soll hier auch unterstrichen
werden, dass die Höhlen der Alb mit ihrer hervorra-
genden Akustik eine ideale Kulisse für Musik bieten.
Obwohl es noch nicht real durch Funde belegt ist,
ist es naheliegend, dass auch Feuer in den Höhlen
brannte, wenn dort Musik gespielt wurde und dass
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steht der Fund sicherlich in Verbindung mit Fortpflanzung und Sexualität. Kürzlich
konnten Fragmente geborgen werden, die zu einer zweiten Venusflgur gehören.
Auch für die Frage nach den Anfängen der Musik erwiesen sich die Albhöhlen
als äußerst ergiebig. Dieselben archäologischen Schichten am Vogelherd, Geißen-
klösterle und Hohle Fels, aus denen zahlreiche Kunstwerke stammen, haben auch
ungefähr ein Dutzend Belege für Musikinstrumente geliefert. Bei allen diesen In-
strumenten handelt es sich um Bruchstücke von Flöten, darunter verschiedene
Flötenarten, die man aus den hohlen Flügelknochen von Schwänen und Geiern
Abb. 5: Elfenbeinflöte aus dem Gei-
ßenklösterle, etwa 40.000Jahre alt.
Foto:J. Liptäk,
© Universität Tübingen.
fertigte, dazu Flöten verschiedener Größen, die aus
massivem Mammut-Elfenbein geschnitzt wurden
(Abb. 5, Abb. 6). Letztere untermauern die Feststel-
lung, dass die Handwerker und Künstler aus dem
schwäbischen Aurignacien außerordentlich versierte
Elfenbeinschnitzer waren. Diese Musikinstrumente
sind die ältesten, die bisher weltweit bekannt sind
und demonstrieren, dass das Aurignacien nicht nur
die älteste Kulturphase war, in der regelhaft figür-
liche Darstellungen gefertigt wurden, sondern die
Menschen des Aurignacien waren auch die Ersten,
die eine archäologisch dokumentierte Musiktradi-
tion besaßen. Ähnlich wie im Falle der vielfältigen
und ästhetisch gelungenen figürlichen Kunstwerke,
sind diese frühen Musikinstrumente alles andere als
einfach oder primitiv. Die Flöten erlauben eine un-
erwartet große Bandbreite von Tönen und musikali-
schen Gestaltungsmöglichkeiten. Spannenderweise
lassen diese Instrumente Spieltechniken und musi-
kalische Ausdrucksweisen zu, die unter den gegen-
wärtigen Blasinstrumenten nicht bekannt sind.
In der archäologischen Überlieferung reprä-
sentieren unsere Quellen immer nur das Minimum
dessen, was in der Vergangenheit existierte. Daher
ist es ausgesprochen wahrscheinlich, dass im Auri-
gnacien auch andere Musikinstrumente aus weniger
erhaltungsfähigen Materialien vorhanden waren, die
nicht überliefert sind. Es soll hier auch unterstrichen
werden, dass die Höhlen der Alb mit ihrer hervorra-
genden Akustik eine ideale Kulisse für Musik bieten.
Obwohl es noch nicht real durch Funde belegt ist,
ist es naheliegend, dass auch Feuer in den Höhlen
brannte, wenn dort Musik gespielt wurde und dass
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