Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2016 — 2017

DOI chapter:
A. Das akademische Jahr 2016
DOI chapter:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI chapter:
Auswärtige Sitzung an der Universität Tübingen am 10. Dezember 2016
DOI article:
Conard, Nicholas John: Das UNESCO-Weltkulturerbeprojekt »Die Höhlen der Schwäbischen Alb«
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55652#0075
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Auswärtige Sitzung in Tübingen (Nicolas J. Conard)

dadurch Schattenspiele automatisch mit der Musik in Verbindung standen. Im en-

geren Sinne gibt es auch keine Hinweise für Theaterspiele oder für das Erzählen,

aber es scheint mir ausgesprochen wahrscheinlich, dass die aurignacienzeitlichen


Abb. 6: Geierknochenflöte
aus dem Hohle Fels, etwa
40.000Jahre alt.
Foto: H. Jensen,
© Universität Tübingen.

Elfenbeinschnitzer und Musiker gesungen, getanzt und
erzählt haben. In der urgeschichtlichen Fachwelt wird
universell davon ausgegangen, dass die frühmodernen
Menschen in Europa unsere kompletten kreativen Fä-
higkeiten besaßen und grundsätzlich Unseresgleichen
waren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die besten
und ältesten Belege für frühe figürliche Darstellungen
und für Musikinstrumente bemerkenswerterwei-
se aus den Höhlen der Schwäbischen Alb stammen.
Sie deuten nachdrücklich darauf hin, dass sich die
älteste regelhafte Herstellung figürlicher Kunst im
Zusammenhang mit der Ausbreitung moderner Men-
schen über Europa entwickelte und damit in jener
Zeit, in der unsere Art Homo sapiens die Neanderta-
ler ersetzte. Diese Funde beweisen, dass spätestens
vor 40.000 Jahren Kunst und Menschentum, wie wir
sie in allen heutigen Gesellschaften kennen, existier-
ten und ein grundlegendes Merkmal dessen bildeten,
was Menschsein bedeutet. Die schwäbischen Belege
für menschliche Kreativität und Ausdruck stehen an
den Anfängen dieses Prozesses und sind in der Tat
von außergewöhnlicher universeller Bedeutung für
alle heutigen Menschen. Insbesondere erfüllen sie in
vollem Umfang zwei der von der UNESCO geforder-
ten Kriterien: sie sind Meisterwerke der menschlichen
Schöpferkraft und stellen ein einzigartiges Zeugnis ei-
ner kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder
untergegangenen Kultur dar.
Letztendlich würdigt die Anerkennung dieser
Fundstellen als Weltkulturerbestätten der UNESCO
aber auch die Arbeit der Generationen von Archäologen

der Universität Tübingen, die in den Höhlen der Schwäbischen Alb ausgegraben

und systematisch die Ursprünge von Kunst, Musik und kultureller Modernität,
wie sie heute verstanden werden, nachgezeichnet haben.

75
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften