Kolloquium „Nietzsche und die Konservative Revolution'
thetisierende, umdeutende und „verschlagwortende“ Aneignungspraxis Moellers
heraus, der Nietzsche als Person und Autor zunächst kulturkritisch (Tschandala
Nietzsche, 1899; Führende Deutsche, 1905), in seinem Hauptwerk Das dritte Reich von
1923 schließlich politisch instrumentalisiere.
Mit der bei Nietzsche wiederholt vorkommenden Formel vom „Pessimismus
der Stärke“, die Oswald Spengler zum Menschenbild weiterentwickle, beschäftigte
sich Felix Schönherrs (Augsburg) Vortrag. Spengler übersetze diesen Pessimismus
ins Utopische und imaginiere ein elitistisches „Cäsaren-Zeitalter“ als Kontrastfolie
zum modernen „Massenzeitalter“.
Auch Yosuke Hamada (Hamburg) stellte Nietzsches Einfluss auf die Konservati-
ve Revolution am Beispiel Oswald Spenglers dar und konstatierte eine konsequen-
te Politisierung der Konzeptionen Nietzsches. Hamada führte aus, wie Spengler den
Gegensatz von Herren- und Sklavenmoral aus Nietzsches Genealogie der Moral in
einen gesellschaftspolitischen Elitarismus überführe, der im Kontrast zum „eng-
lischen Individualismus“ mit der Vorstellung eines „deutschen Sozialismus“ ver-
einbar sei.
Wie Rainer Maria Rilke durch seinen aristokratischen Radikalismus im Geiste
Nietzsches auf eine Nebenspur der Konservativen Revolution gerate, erörterte Hannah
Klima (Karlsruhe). Um Analogien zwischen russophilen Vorstellungen um 1900
und der „Weltanschauung“ der Konservativen Revolution aufzuzeigen, ging Kli-
ma auf Rilkes frühe Idealisierung des zaristischen Russlands ein. Diese Projektion
bilde die Weichenstellung für Rilkes metaphysischen Kunst-Aristokratismus, den
er durch seine Aneignung von Nietzsches früher „Artisten-Metaphysik“ aus der
Geburt der Tragödie entwickle.
Im nächsten Vortrag wies Julius Thelen (Freiburg) die zentrale Bedeutung
von Nietzsches erster „Unzeitgemäßer Betrachtung“ für Hugo von Hofmanns-
thals programmatische Schrifttums-Rede (1927) nach. Ausgehend vom Typus der
„Suchenden“, den Hofmannsthal aus Nietzsches „Betrachtung“ aufgreife, um ihn
zum Subjekt einer „konservativen Revolution“ zu stilisieren, vollzog Thelen ex-
emplarisch die kulturkritische Indienstnahme Nietzsches nach.
Alexey Zhavoronkov (Erfurt/Moskau) verglich die konservative und die libe-
rale Nietzsche-Rezeption im frühen 20. Jahrhundert paradigmatisch anhand von
Nietzsches Idee der Gemeinschaft. Er demonstrierte, wie Carl Schmitt und Helmuth
Plessner die Freundschafts- und Genossenschaftsvorstellungen in Nietzsches Tex-
ten gegenläufig rezipierten.
Vor dem Hintergrund der Freirechtsbewegung im frühen 20. Jahrhundert ging
Sophia Gluth (Berlin/Weimar) ebenfalls der Nietzsche-Rezeption Carl Schmitts
nach. Die Anhänger des Freirechts entwerfen Gluth zufolge ein Nietzsche-Bild,
das für Schmitt zum Ausgangspunkt solcher kulturkritischen Überlegungen wer-
de, wie sie auch Armin Mohler in seiner Darstellung der Konservativen Revoluti-
on auf analoge Weise anstelle.
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thetisierende, umdeutende und „verschlagwortende“ Aneignungspraxis Moellers
heraus, der Nietzsche als Person und Autor zunächst kulturkritisch (Tschandala
Nietzsche, 1899; Führende Deutsche, 1905), in seinem Hauptwerk Das dritte Reich von
1923 schließlich politisch instrumentalisiere.
Mit der bei Nietzsche wiederholt vorkommenden Formel vom „Pessimismus
der Stärke“, die Oswald Spengler zum Menschenbild weiterentwickle, beschäftigte
sich Felix Schönherrs (Augsburg) Vortrag. Spengler übersetze diesen Pessimismus
ins Utopische und imaginiere ein elitistisches „Cäsaren-Zeitalter“ als Kontrastfolie
zum modernen „Massenzeitalter“.
Auch Yosuke Hamada (Hamburg) stellte Nietzsches Einfluss auf die Konservati-
ve Revolution am Beispiel Oswald Spenglers dar und konstatierte eine konsequen-
te Politisierung der Konzeptionen Nietzsches. Hamada führte aus, wie Spengler den
Gegensatz von Herren- und Sklavenmoral aus Nietzsches Genealogie der Moral in
einen gesellschaftspolitischen Elitarismus überführe, der im Kontrast zum „eng-
lischen Individualismus“ mit der Vorstellung eines „deutschen Sozialismus“ ver-
einbar sei.
Wie Rainer Maria Rilke durch seinen aristokratischen Radikalismus im Geiste
Nietzsches auf eine Nebenspur der Konservativen Revolution gerate, erörterte Hannah
Klima (Karlsruhe). Um Analogien zwischen russophilen Vorstellungen um 1900
und der „Weltanschauung“ der Konservativen Revolution aufzuzeigen, ging Kli-
ma auf Rilkes frühe Idealisierung des zaristischen Russlands ein. Diese Projektion
bilde die Weichenstellung für Rilkes metaphysischen Kunst-Aristokratismus, den
er durch seine Aneignung von Nietzsches früher „Artisten-Metaphysik“ aus der
Geburt der Tragödie entwickle.
Im nächsten Vortrag wies Julius Thelen (Freiburg) die zentrale Bedeutung
von Nietzsches erster „Unzeitgemäßer Betrachtung“ für Hugo von Hofmanns-
thals programmatische Schrifttums-Rede (1927) nach. Ausgehend vom Typus der
„Suchenden“, den Hofmannsthal aus Nietzsches „Betrachtung“ aufgreife, um ihn
zum Subjekt einer „konservativen Revolution“ zu stilisieren, vollzog Thelen ex-
emplarisch die kulturkritische Indienstnahme Nietzsches nach.
Alexey Zhavoronkov (Erfurt/Moskau) verglich die konservative und die libe-
rale Nietzsche-Rezeption im frühen 20. Jahrhundert paradigmatisch anhand von
Nietzsches Idee der Gemeinschaft. Er demonstrierte, wie Carl Schmitt und Helmuth
Plessner die Freundschafts- und Genossenschaftsvorstellungen in Nietzsches Tex-
ten gegenläufig rezipierten.
Vor dem Hintergrund der Freirechtsbewegung im frühen 20. Jahrhundert ging
Sophia Gluth (Berlin/Weimar) ebenfalls der Nietzsche-Rezeption Carl Schmitts
nach. Die Anhänger des Freirechts entwerfen Gluth zufolge ein Nietzsche-Bild,
das für Schmitt zum Ausgangspunkt solcher kulturkritischen Überlegungen wer-
de, wie sie auch Armin Mohler in seiner Darstellung der Konservativen Revoluti-
on auf analoge Weise anstelle.
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