D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
eingeschrieben und mich mit Jobs - teils in den Ferien, teils während des Semes-
ters - finanziell über Wasser gehalten. Zusätzlich erhielt ich eine sehr begrenzte
Förderung nach dem Honnefer Modell, dem Vorläufer von Bafög; nach Abschluss
des Studiums und mit Beginn eines Einkommens musste ich das Darlehen bis zu
einer bestimmten Höhe in 50 DM-Raten zurückzahlen.
Beim Studium fiel mir eines Tages das Lehrbuch von Jim Watson „Molecu-
lar Biology of the Gene“ (1. Auflage von 1964) in die Hände. Das war sogar für
Nichtbiologen eine interessante Lektüre, die ich viel spannender fand als Mathe
und Physik. Also sattelte ich um. Dann allerdings wurde es ziemlich langweilig -
Watsons „schöne neue Biologie“ wurde in Göttingen gar nicht gelehrt. Stattdessen
wurden Brennnesselstängel quer geschnitten und gezeichnet oder die Exo- und
Endopoditen von Krebsen akribisch untersucht. Es war Zeit zu fliehen. Ich mach-
te schnell noch mein Vordiplom in Biologie, Chemie und Physik und wechselte
dann nach Berlin, wo viel mehr los war als in Göttingen.
An der FU begann die große Freiheit. Ich konnte mir ein Menü an Kursen
zusammenstellen, in dem Molekularbiologie (oder was man dafür hielt) und
Biochemie reichlich vorkamen. Außerdem gab es in Berlin ein nagelneues Max-
Planck-Institut für Molekulare Genetik, in dem ich gleich einen Job als Hiwi be-
kam. Das Tolle daran war, ich konnte eigenständig ein wissenschaftliches Projekt
bearbeiten - ich war damals erst im 5. Semester und lernte durch diese Tätigkeit
eine ganze Menge über die Wissenschaft. Ein Jahr später wurde mir am MPI eine
Doktorarbeit angeboten, aber ich wollte nicht. Molekularbiologie wurde damals
fast ausschließlich an Mikroorganismen praktiziert, also an Bakterien und Bakte-
riophagen. Inzwischen war mir durch Kurse an der FU, aber auch durch Seminare
am MPI und durch regelmäßigen Zugang zur wissenschaftlichen Primärliteratur
(ebenfalls am MPI) klar geworden, dass die Molekularbiologie auch noch komple-
xere Organismen bearbeiten könnte; allerdings gab es am MPI eine gewisse Scheu
davor. Besonders faszinierend fand ich die Entwicklung von Tieren, und ich hoff-
te, dass die Methoden, die an Mikroorganismen entwickelt worden waren, sich
auf die Analyse höherer Organismen übertragen ließen (das war 1971). So habe
ich relativ abrupt mein wissenschaftliches Projekt am MPI in eine Diplomarbeit
gegossen und meine Diplomprüfung an der FU bestanden.
Ich zog nach Freiburg, weil es dort einen gerade gegründeten SFB gab, der
den etwas pompösen Titel „Molekulare Grundlagen der Entwicklung“ trug. Ich
hatte mir in den Kopf gesetzt, mit den an Bakterien erprobten genetischen und
molekularbiologischen Methoden die Entwicklung von Drosophila zu untersu-
chen. Ich wusste inzwischen von der traditionsreichen Fliegengenetik und von
neuen aufregenden Ansätzen in den USA, eine Entwicklungsgenetik von Droso-
phila zu etablieren. Es kam dann schon alles etwas anders als gedacht, aber ich
habe eine Menge gelernt. Fairerweise möchte ich betonen, dass mir dafür auch die
Freiheit und die Zeit gelassen wurden, um mich in die völlig neue Thematik und
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eingeschrieben und mich mit Jobs - teils in den Ferien, teils während des Semes-
ters - finanziell über Wasser gehalten. Zusätzlich erhielt ich eine sehr begrenzte
Förderung nach dem Honnefer Modell, dem Vorläufer von Bafög; nach Abschluss
des Studiums und mit Beginn eines Einkommens musste ich das Darlehen bis zu
einer bestimmten Höhe in 50 DM-Raten zurückzahlen.
Beim Studium fiel mir eines Tages das Lehrbuch von Jim Watson „Molecu-
lar Biology of the Gene“ (1. Auflage von 1964) in die Hände. Das war sogar für
Nichtbiologen eine interessante Lektüre, die ich viel spannender fand als Mathe
und Physik. Also sattelte ich um. Dann allerdings wurde es ziemlich langweilig -
Watsons „schöne neue Biologie“ wurde in Göttingen gar nicht gelehrt. Stattdessen
wurden Brennnesselstängel quer geschnitten und gezeichnet oder die Exo- und
Endopoditen von Krebsen akribisch untersucht. Es war Zeit zu fliehen. Ich mach-
te schnell noch mein Vordiplom in Biologie, Chemie und Physik und wechselte
dann nach Berlin, wo viel mehr los war als in Göttingen.
An der FU begann die große Freiheit. Ich konnte mir ein Menü an Kursen
zusammenstellen, in dem Molekularbiologie (oder was man dafür hielt) und
Biochemie reichlich vorkamen. Außerdem gab es in Berlin ein nagelneues Max-
Planck-Institut für Molekulare Genetik, in dem ich gleich einen Job als Hiwi be-
kam. Das Tolle daran war, ich konnte eigenständig ein wissenschaftliches Projekt
bearbeiten - ich war damals erst im 5. Semester und lernte durch diese Tätigkeit
eine ganze Menge über die Wissenschaft. Ein Jahr später wurde mir am MPI eine
Doktorarbeit angeboten, aber ich wollte nicht. Molekularbiologie wurde damals
fast ausschließlich an Mikroorganismen praktiziert, also an Bakterien und Bakte-
riophagen. Inzwischen war mir durch Kurse an der FU, aber auch durch Seminare
am MPI und durch regelmäßigen Zugang zur wissenschaftlichen Primärliteratur
(ebenfalls am MPI) klar geworden, dass die Molekularbiologie auch noch komple-
xere Organismen bearbeiten könnte; allerdings gab es am MPI eine gewisse Scheu
davor. Besonders faszinierend fand ich die Entwicklung von Tieren, und ich hoff-
te, dass die Methoden, die an Mikroorganismen entwickelt worden waren, sich
auf die Analyse höherer Organismen übertragen ließen (das war 1971). So habe
ich relativ abrupt mein wissenschaftliches Projekt am MPI in eine Diplomarbeit
gegossen und meine Diplomprüfung an der FU bestanden.
Ich zog nach Freiburg, weil es dort einen gerade gegründeten SFB gab, der
den etwas pompösen Titel „Molekulare Grundlagen der Entwicklung“ trug. Ich
hatte mir in den Kopf gesetzt, mit den an Bakterien erprobten genetischen und
molekularbiologischen Methoden die Entwicklung von Drosophila zu untersu-
chen. Ich wusste inzwischen von der traditionsreichen Fliegengenetik und von
neuen aufregenden Ansätzen in den USA, eine Entwicklungsgenetik von Droso-
phila zu etablieren. Es kam dann schon alles etwas anders als gedacht, aber ich
habe eine Menge gelernt. Fairerweise möchte ich betonen, dass mir dafür auch die
Freiheit und die Zeit gelassen wurden, um mich in die völlig neue Thematik und
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