Antrittsrede von Barbara Beßlich
Eigentlich hat für mich das Studium dann erst richtig mit meinem Wechsel
1991 nach Freiburg angefangen. Wenn auch der Betonklotz des Kollegiengebäudes
III ein wenig gewöhnungsbedürftig war nach all der barocken Bonner Hofgar-
tenpracht, so war doch sehr schnell zu merken, dass in der badischen Universität
die Abläufe besser organisiert waren; und was den architektonisch eher moderat
ansprechenden Zweckbau des KG III betraf, so kann ich bestätigen, was mir ei-
ne Kollegin aus Bochum später einmal emphatisch verkündete: „Sichtbeton hilft
beim Denken“. Meine Freiburger Studienzeit war glücklich, aufregend und le-
bensbestimmend. Die Hochschullehrer der Albert-Eudwigs-Universität nahmen
sich, wenn sie es wollten, Zeit, sich für ihre Studenten zu interessieren. Das kann-
te ich so nicht aus Bonn und war verblüfft, wenn etwa die Seminare von Ernst
Schulin am Ende des Semesters mit einer Abendeinladung zu ihm nach Hause
beschlossen wurden. In diesen ersten Freiburger Semestern sah ich eindeutig in
der Geschichte mein eigentliches Fach. Zwar war ich studentische Hilfskraft in der
germanistischen Mediävistik bei Walter Blank und beschäftigte mich unter seiner
Anleitung auch mit der Dominikanermystik eines Heinrich Seuse, aber tummelte
mich mehr in geschichtswissenschaftlichen Veranstaltungen von Gangolf Hübin-
ger und Ernst Schulin, dessen besonnene und uneitle Art, Wissenschaftsgeschichte
zu betreiben, mich faszinierte. Meine Examensarbeit schrieb ich bei Schulin über
die deutsche Kriegspublizistik im Ersten Weltkrieg.
Dass aus dieser geschichtswissenschaftlichen Abschlussarbeit ein interdis-
ziplinäres Promotionsprojekt werden konnte, verdanke ich der Bereitschaft von
Achim Aurnhammer, eine solche, höchstens semi-germanistische Studie zu be-
treuen. Meine Promotionszeit habe ich sehr genossen: Gefördert durch ein Sti-
pendium der Studienstiftung des deutschen Volkes konnte ich frei forschen. Von
Achim Aurnhammer, bei dem ich nach der Promotion auch als wissenschaftliche
Assistentin gearbeitet habe, lernte ich den strengen Blick auf das Detail, die phi-
lologisch wertvolle „Andacht zum Unbedeutenden“ (Sulpiz Boisseree) und auch
eine gehörige Skepsis gegenüber grellen wissenschaftlichen Moden und allem,
was als bloß „interessant“ oder „spannend“ daherkommt. Wichtig für meine Dis-
sertation wurde dann immer mehr das Gespräch mit Ulrich Herbert über den
Zusammenhang der Vorkriegskulturkritik mit den „Ideen von 1914“ und mit der
„konservativen Revolution“ der 1920er Jahre. Auch Stefan Breuer habe ich in die-
ser Zeit kennengelernt und vom Austausch mit ihm enorm profitiert.
1999 wurde ich dann promoviert mit meiner Arbeit über Wege in den „Kul-
turkrieg“. Zivilisationskritik in Deutschland 1890-1914. Die Gutachten schrieben
mein germanistischer Doktorvater und die Historiker Ulrich Herbert und Ernst
Schulin. Habilitiert habe ich mich 2005 mit einer Studie über Napoleon in der
deutschen Literatur. Schon wieder ein Thema, das zwischen den Fächern platziert
war. Karrierestrategisch war es bestimmt einigermaßen fahrlässig, sich mit beiden
Qualifikationsschriften in diesem disziplinären Grenzgebiet zu situieren; aber es
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Eigentlich hat für mich das Studium dann erst richtig mit meinem Wechsel
1991 nach Freiburg angefangen. Wenn auch der Betonklotz des Kollegiengebäudes
III ein wenig gewöhnungsbedürftig war nach all der barocken Bonner Hofgar-
tenpracht, so war doch sehr schnell zu merken, dass in der badischen Universität
die Abläufe besser organisiert waren; und was den architektonisch eher moderat
ansprechenden Zweckbau des KG III betraf, so kann ich bestätigen, was mir ei-
ne Kollegin aus Bochum später einmal emphatisch verkündete: „Sichtbeton hilft
beim Denken“. Meine Freiburger Studienzeit war glücklich, aufregend und le-
bensbestimmend. Die Hochschullehrer der Albert-Eudwigs-Universität nahmen
sich, wenn sie es wollten, Zeit, sich für ihre Studenten zu interessieren. Das kann-
te ich so nicht aus Bonn und war verblüfft, wenn etwa die Seminare von Ernst
Schulin am Ende des Semesters mit einer Abendeinladung zu ihm nach Hause
beschlossen wurden. In diesen ersten Freiburger Semestern sah ich eindeutig in
der Geschichte mein eigentliches Fach. Zwar war ich studentische Hilfskraft in der
germanistischen Mediävistik bei Walter Blank und beschäftigte mich unter seiner
Anleitung auch mit der Dominikanermystik eines Heinrich Seuse, aber tummelte
mich mehr in geschichtswissenschaftlichen Veranstaltungen von Gangolf Hübin-
ger und Ernst Schulin, dessen besonnene und uneitle Art, Wissenschaftsgeschichte
zu betreiben, mich faszinierte. Meine Examensarbeit schrieb ich bei Schulin über
die deutsche Kriegspublizistik im Ersten Weltkrieg.
Dass aus dieser geschichtswissenschaftlichen Abschlussarbeit ein interdis-
ziplinäres Promotionsprojekt werden konnte, verdanke ich der Bereitschaft von
Achim Aurnhammer, eine solche, höchstens semi-germanistische Studie zu be-
treuen. Meine Promotionszeit habe ich sehr genossen: Gefördert durch ein Sti-
pendium der Studienstiftung des deutschen Volkes konnte ich frei forschen. Von
Achim Aurnhammer, bei dem ich nach der Promotion auch als wissenschaftliche
Assistentin gearbeitet habe, lernte ich den strengen Blick auf das Detail, die phi-
lologisch wertvolle „Andacht zum Unbedeutenden“ (Sulpiz Boisseree) und auch
eine gehörige Skepsis gegenüber grellen wissenschaftlichen Moden und allem,
was als bloß „interessant“ oder „spannend“ daherkommt. Wichtig für meine Dis-
sertation wurde dann immer mehr das Gespräch mit Ulrich Herbert über den
Zusammenhang der Vorkriegskulturkritik mit den „Ideen von 1914“ und mit der
„konservativen Revolution“ der 1920er Jahre. Auch Stefan Breuer habe ich in die-
ser Zeit kennengelernt und vom Austausch mit ihm enorm profitiert.
1999 wurde ich dann promoviert mit meiner Arbeit über Wege in den „Kul-
turkrieg“. Zivilisationskritik in Deutschland 1890-1914. Die Gutachten schrieben
mein germanistischer Doktorvater und die Historiker Ulrich Herbert und Ernst
Schulin. Habilitiert habe ich mich 2005 mit einer Studie über Napoleon in der
deutschen Literatur. Schon wieder ein Thema, das zwischen den Fächern platziert
war. Karrierestrategisch war es bestimmt einigermaßen fahrlässig, sich mit beiden
Qualifikationsschriften in diesem disziplinären Grenzgebiet zu situieren; aber es
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