D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
Schlüpfen des Nachtfalters in der Entwicklung beobachtete. Dieses Erlebnis so-
wie der Umgang mit der Insektensammlung und den Büchern seines Großvaters
mütterlicherseits ließen den Wunsch in ihm reifen, Zoologie zu studierenden.
Seinen späteren Doktorvater Erich von Holst lernte Hassenstein schon sehr
früh im dritten Semester kennen. Dieser eröffnete dem talentierten Studenten die
Welt der Verhaltensbiologie. Erich von Holst hielt den Kontakt zu Hassenstein
über die gesamte Kriegszeit aufrecht, und nach Kriegsende nahm Hassenstein sein
Studium bereits im ersten Nachkriegssemester in Göttingen wieder auf. Hassen-
stein folgte dann von Holst, zunächst von Göttingen nach Heidelberg (1946) und
dann am Ende seiner Dissertation an das Max-Planck-Institut für Meeresbiologie
in Wilhelmshaven (1948/49).
Seine Doktorarbeit, angestoßen durch von Holst, hatte den Titel „Omma-
tidienraster und afferente Bewegungs-Integration“2. Gegenstand war die Frage,
wie Sehzellen im Insektenauge bei der Rezeption von Bewegungsprozessen Zu-
sammenarbeiten. Hassenstein entdeckte hier grundsätzliche neurobiologische
Prinzipien des Bewegungssehens: Signale zweier benachbarter Sehzellen können
eingehende Lichtreize so nach Geschwindigkeit und Richtung miteinander ver-
arbeiten, dass diese, wie bei einer mathematischen Operation, nach Betrag und
Vorzeichen miteinander multipliziert werden, ganz im Sinne der aufkommenden
biologischen Kybernetik.
Hassensteins bahnbrechende Entdeckungen waren prägend für seinen weite-
ren wissenschaftlichen Weg. Der führte ihn 1954 zunächst auf eine Assistentenstelle
an die Universität Tübingen und nach der Habilitation (1957) an das dortige Max-
Planck-Institut für Biologie, wo zusammen mit den Physikern Werner Reichardt
und Hans Wenking 1958 die Forschungsgruppe Kybernetik gegründet wurde, der
Vorläufer des später gegründeten Max-Planck-Instituts für Biologische Kybernetik.
Aus dieser interdisziplinären Arbeitsgruppe sind weitere Arbeiten zum Sehsystem
der Insekten entstanden, die auf Hassensteins experimentellen Daten beruhen3.
Nach zwei weiteren Jahren wurde Hassenstein 1960, 38-jährig, als Nachfolger des
Ethologen Otto Koehler (Lehrer und Mentor von Konrad Lorenz) auf den Lehr-
stuhl für Zoologie an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg berufen.
In Freiburg öffneten sich Hassenstein auf dem Lehrstuhl für Verhaltensbio-
logie neue Möglichkeiten seiner wissenschaftlichen Arbeit. Zum einen setzte er
seine insektenphysiologischen Forschungen fort (einer seiner Doktoranden aus
dieser Zeit ist Ernst Ulrich von Weizsäcker mit einer Arbeit zum Formensehen der
Bienen) und trug die Biokybernetik in die biologische Ausbildung. Zum anderen
2 Hassenstein, B. (1951). Ommatidienraster und afferente Bewegungsintegration. Versuche an
dem Rüsselkäfer Chlorophanus viridis. Zeitschrift für vergleichende Physiologie 33, 301-326.
3 Hassenstein, B., Reichardt, W (1956). Systemtheoretische Analyse der Zeit-, Reihenfolgen-
und Vorzeichenauswertung bei der Bewegungsperzeption des Rüsselkäfers Chlorophanus. Zeit-
schrift für Naturforschung B. Band 11, Heft 9-10, Seiten 513-524.
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Schlüpfen des Nachtfalters in der Entwicklung beobachtete. Dieses Erlebnis so-
wie der Umgang mit der Insektensammlung und den Büchern seines Großvaters
mütterlicherseits ließen den Wunsch in ihm reifen, Zoologie zu studierenden.
Seinen späteren Doktorvater Erich von Holst lernte Hassenstein schon sehr
früh im dritten Semester kennen. Dieser eröffnete dem talentierten Studenten die
Welt der Verhaltensbiologie. Erich von Holst hielt den Kontakt zu Hassenstein
über die gesamte Kriegszeit aufrecht, und nach Kriegsende nahm Hassenstein sein
Studium bereits im ersten Nachkriegssemester in Göttingen wieder auf. Hassen-
stein folgte dann von Holst, zunächst von Göttingen nach Heidelberg (1946) und
dann am Ende seiner Dissertation an das Max-Planck-Institut für Meeresbiologie
in Wilhelmshaven (1948/49).
Seine Doktorarbeit, angestoßen durch von Holst, hatte den Titel „Omma-
tidienraster und afferente Bewegungs-Integration“2. Gegenstand war die Frage,
wie Sehzellen im Insektenauge bei der Rezeption von Bewegungsprozessen Zu-
sammenarbeiten. Hassenstein entdeckte hier grundsätzliche neurobiologische
Prinzipien des Bewegungssehens: Signale zweier benachbarter Sehzellen können
eingehende Lichtreize so nach Geschwindigkeit und Richtung miteinander ver-
arbeiten, dass diese, wie bei einer mathematischen Operation, nach Betrag und
Vorzeichen miteinander multipliziert werden, ganz im Sinne der aufkommenden
biologischen Kybernetik.
Hassensteins bahnbrechende Entdeckungen waren prägend für seinen weite-
ren wissenschaftlichen Weg. Der führte ihn 1954 zunächst auf eine Assistentenstelle
an die Universität Tübingen und nach der Habilitation (1957) an das dortige Max-
Planck-Institut für Biologie, wo zusammen mit den Physikern Werner Reichardt
und Hans Wenking 1958 die Forschungsgruppe Kybernetik gegründet wurde, der
Vorläufer des später gegründeten Max-Planck-Instituts für Biologische Kybernetik.
Aus dieser interdisziplinären Arbeitsgruppe sind weitere Arbeiten zum Sehsystem
der Insekten entstanden, die auf Hassensteins experimentellen Daten beruhen3.
Nach zwei weiteren Jahren wurde Hassenstein 1960, 38-jährig, als Nachfolger des
Ethologen Otto Koehler (Lehrer und Mentor von Konrad Lorenz) auf den Lehr-
stuhl für Zoologie an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg berufen.
In Freiburg öffneten sich Hassenstein auf dem Lehrstuhl für Verhaltensbio-
logie neue Möglichkeiten seiner wissenschaftlichen Arbeit. Zum einen setzte er
seine insektenphysiologischen Forschungen fort (einer seiner Doktoranden aus
dieser Zeit ist Ernst Ulrich von Weizsäcker mit einer Arbeit zum Formensehen der
Bienen) und trug die Biokybernetik in die biologische Ausbildung. Zum anderen
2 Hassenstein, B. (1951). Ommatidienraster und afferente Bewegungsintegration. Versuche an
dem Rüsselkäfer Chlorophanus viridis. Zeitschrift für vergleichende Physiologie 33, 301-326.
3 Hassenstein, B., Reichardt, W (1956). Systemtheoretische Analyse der Zeit-, Reihenfolgen-
und Vorzeichenauswertung bei der Bewegungsperzeption des Rüsselkäfers Chlorophanus. Zeit-
schrift für Naturforschung B. Band 11, Heft 9-10, Seiten 513-524.
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