VIII
Einleitung des Herausgebers
eine Universität Humboldt’scher Provenienz. Die Etablierung und Verteidigung der
Universität als »staatsfreier Raum« reiner Wahrheitsforschung gilt ihm als Bedingung
für die Entwicklung und das Wirken einer geistig beseelten Minorität, die er als
»Geistesaristokratie«5 bezeichnet. Von daher ist die Universität für Jaspers mehr als
Forschungsbetrieb und Ausbildungsstätte für >höhere< Berufe: Sie stellt für ihn den pri-
vilegierten Raum für die Verwirklichung der geistigen Existenz des Menschen dar.
Die hier erstmals in einem Band zusammengeführten Texte zur Universitätsidee6
lassen die Zusammenhänge zwischen Jaspers’ philosophisch-humanistischen Grund-
positionen, Überlegungen zu Strukturen akademischer Interaktion, Reflexionen über
Wissenschaft, Institutionen und nicht zuletzt der gesellschaftlichen wie politischen
Rolle des akademischen Lebens in aufschlussreicher Weise transparent werden. Insbe-
sondere die gedankliche Durchdringung des universitären Lebens am Leitfaden exis-
tentiellen Wissenwollens und Wahrheitssuchens, das bis in seine gesellschaftlichen
und politischen Konsequenzen hinein entfaltet wird, macht Jaspers’ Ausführungen zu
einer bis heute inspirierenden Quelle für eine Besinnung auf die Aufgaben, Ziele und
institutionelle Gestalt der Universität. Darüber hinaus eröffnen die Texte tiefe Einbli-
cke in das werkgeschichtlich und biographisch bedeutsame Beziehungsgeflecht von
Standpunkten und Argumentationen, das Jaspers’ Denken als Psychiater, Philosoph
und politischer Schriftsteller verbindet. Zwar hat seine Auseinandersetzung mit der
Universität in der Zeitspanne von der ersten Veröffentlichung seiner Idee der Universi-
tät im Jahre 1923 bis zu seinen letzten Äußerungen zu universitären Fragen 1968 we-
sentliche Erweiterungen und neue Kontextuierungen erfahren. Seinen ideenge-
schichtlichen Bezugspunkten und Inspirationsquellen ist Jaspers jedoch stets treu
geblieben, weshalb diese im Folgenden kurz benannt werden sollen. Um Jaspers’ Aus-
führungen vor ihren jeweiligen historischen Hintergründen transparent werden zu
lassen, wird die Besprechung der Texte von kurzen universitäts- und zeitgeschichtli-
chen Exkursen begleitet.
5 Unter »Geistesaristokratie« versteht Jaspers ausdrücklich keine klar umrissene soziale Gruppie-
rung. Der Ausdruck dient ihm vielmehr als Sammelbegriff für große Persönlichkeiten. So schreibt
er in der zweiten Ausgabe seiner Idee der Universität: »Geistige Aristokratie ist nicht eine soziolo-
gische Aristokratie. Jeder dazu Geborene sollte den Weg zu den Studien finden. Diese Aristokra-
tie ist Freiheit eigenen Ursprungs, begegnet beim Erbadel wie beim Arbeiter, bei Reichen und bei
Armen, überall gleich selten« (vgl. in diesem Band, 191).
6 Ein erster Sammelband, der eine Auswahl der Jaspers’schen Vorträge und Aufsätze zur Universi-
tätsidee enthält, wurde 1986 von Renato de Rosa herausgegeben (K. Jaspers: Erneuerung der Univer-
sität. Reden und Schriften 1945/46).
Einleitung des Herausgebers
eine Universität Humboldt’scher Provenienz. Die Etablierung und Verteidigung der
Universität als »staatsfreier Raum« reiner Wahrheitsforschung gilt ihm als Bedingung
für die Entwicklung und das Wirken einer geistig beseelten Minorität, die er als
»Geistesaristokratie«5 bezeichnet. Von daher ist die Universität für Jaspers mehr als
Forschungsbetrieb und Ausbildungsstätte für >höhere< Berufe: Sie stellt für ihn den pri-
vilegierten Raum für die Verwirklichung der geistigen Existenz des Menschen dar.
Die hier erstmals in einem Band zusammengeführten Texte zur Universitätsidee6
lassen die Zusammenhänge zwischen Jaspers’ philosophisch-humanistischen Grund-
positionen, Überlegungen zu Strukturen akademischer Interaktion, Reflexionen über
Wissenschaft, Institutionen und nicht zuletzt der gesellschaftlichen wie politischen
Rolle des akademischen Lebens in aufschlussreicher Weise transparent werden. Insbe-
sondere die gedankliche Durchdringung des universitären Lebens am Leitfaden exis-
tentiellen Wissenwollens und Wahrheitssuchens, das bis in seine gesellschaftlichen
und politischen Konsequenzen hinein entfaltet wird, macht Jaspers’ Ausführungen zu
einer bis heute inspirierenden Quelle für eine Besinnung auf die Aufgaben, Ziele und
institutionelle Gestalt der Universität. Darüber hinaus eröffnen die Texte tiefe Einbli-
cke in das werkgeschichtlich und biographisch bedeutsame Beziehungsgeflecht von
Standpunkten und Argumentationen, das Jaspers’ Denken als Psychiater, Philosoph
und politischer Schriftsteller verbindet. Zwar hat seine Auseinandersetzung mit der
Universität in der Zeitspanne von der ersten Veröffentlichung seiner Idee der Universi-
tät im Jahre 1923 bis zu seinen letzten Äußerungen zu universitären Fragen 1968 we-
sentliche Erweiterungen und neue Kontextuierungen erfahren. Seinen ideenge-
schichtlichen Bezugspunkten und Inspirationsquellen ist Jaspers jedoch stets treu
geblieben, weshalb diese im Folgenden kurz benannt werden sollen. Um Jaspers’ Aus-
führungen vor ihren jeweiligen historischen Hintergründen transparent werden zu
lassen, wird die Besprechung der Texte von kurzen universitäts- und zeitgeschichtli-
chen Exkursen begleitet.
5 Unter »Geistesaristokratie« versteht Jaspers ausdrücklich keine klar umrissene soziale Gruppie-
rung. Der Ausdruck dient ihm vielmehr als Sammelbegriff für große Persönlichkeiten. So schreibt
er in der zweiten Ausgabe seiner Idee der Universität: »Geistige Aristokratie ist nicht eine soziolo-
gische Aristokratie. Jeder dazu Geborene sollte den Weg zu den Studien finden. Diese Aristokra-
tie ist Freiheit eigenen Ursprungs, begegnet beim Erbadel wie beim Arbeiter, bei Reichen und bei
Armen, überall gleich selten« (vgl. in diesem Band, 191).
6 Ein erster Sammelband, der eine Auswahl der Jaspers’schen Vorträge und Aufsätze zur Universi-
tätsidee enthält, wurde 1986 von Renato de Rosa herausgegeben (K. Jaspers: Erneuerung der Univer-
sität. Reden und Schriften 1945/46).