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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0010
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Einleitung des Herausgebers

IX

i. Die klassische deutsche Universitätsidee
Jaspers’ inhaltliche Bezugnahme auf historische Quellen beschränkt sich weitgehend
auf die Schöpfer der klassischen deutschen Universitätsidee, die zu Beginn des 19. Jahr-
hunderts mit Schriften zur Universität in Erscheinung traten und deren Wirken
schließlich in der Konzeption und Gründung der Universität Berlin 1809/1810 eine
manifeste Ausdrucksgestalt gefunden hat.7 Als wesentliches und in dieser Form wohl
einzigartiges Charakteristikum dieser häufig als »neuhumanistisch«8 bezeichneten
Universitätsidee kann gelten, dass diese ein weitgehend philosophisches Konstrukt
darstellt, das maßgeblich von Johann Gottlieb Fichte, Wilhelm von Humboldt und
Friedrich Schleiermacher entwickelt und von den beiden letztgenannten in eine kon-
krete institutionelle Gestalt gefasst wurde.9 Wesentliche Anknüpfungspunkte bilde-
ten dabei einerseits die von Immanuel Kant in seinem Streit der Fakultäten postulierte
Unabhängigkeit der philosophischen Fakultät von Befehlen der Regierung10 und an-
dererseits Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Reaktualisierung des Begriffs der Idee
im akademischen Kontext.11
Insbesondere Schellings Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums
(1802-1803)12 bildeten eine der wesentlichsten Quellen für die Entwicklung einer von

7 Die Universität Berlin wurde 1809/1810 im Königreich Preußen als Ersatz für die nach dem »Til-
siter Frieden« 1807 verlorene Elitehochschule Halle gegründet und sollte Preußen nach der Nie-
derlage gegen Napoleon 1.1806 - in den Worten des preußischen Königs - »durch geistige Kräfte
ersetzen, was es an physischen verloren hat[te]« (vgl. H. C. Kraus: Theodor An ton Heinrich Schmalz
[1760-1831]. Jurisprudenz, Universitätspolitik und Publizistik im Spannungsfeld von Revolution und Re-
stauration, Frankfurt a.M. 1999,100). Neben Wilhelm von Humboldt war es vor allem Friedrich
Schleiermacher, der mit seiner Denkschrift Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem
Sinn und als von Humboldt gewähltes Mitglied einer Kommission zur Einrichtung der Universi-
tät so starken Einfluss ausübte, dass ihm bis ins 20. Jahrhundert hinein Idee und Gründung der
Universität Berlin zugeschrieben wurden (vgl. W. Rüegg: »Themen, Probleme, Erkenntnisse«, in:
ders. [Hg.]: GdUE IV, 21-45,28; ders.: »Der Mythos der Humboldtschen Universität«, in: M. Krieg,
M. Rose [Hg.]: Universitas in theologia - theologia in universitate, Zürich 1997,155-174; E. Spranger
[Hg.]: Fichte, Schleiermacher, Steffens überdas Wesen der Universität, Leipzig 1910, XXXII). Entgegen
landläufiger Meinung wurde die neue Universitätsgründung in ihrer Zeit keineswegs als herausra-
gendes neues Modell empfunden, wie zuvor etwa die im Geiste der Aufklärung gegründeten Uni-
versitäten Halle und Göttingen (vgl. hierzu: S. Paletschek: »Die Erfindung der Humboldtschen
Universität. Die Konstruktion der deutschen Universitätsidee in der ersten Hälfte des 20. Jahr-
hunderts«, in: Historische Anthropologie, Bd. 10 [2002] 183-205,184).
8 Der Begriff des »Neuhumanismus«, den auch Jaspers verwendet, geht auf den von ihm rezipier-
ten Bildungshistoriker Friedrich Paulsen (1846-1908) zurück (vgl. F. Paulsen: Geschichte des gelehr-
ten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Ge-
genwart, Leipzig 1885, 419, 566).
9 Vgl. Fußnote Nr. 7; zu Schleiermachers Rolle bei der Gründung der Universität Berlin bes.:
W. Rüegg: »Der Mythos der Humboldtschen Universität«.
10 I. Kant: AA VII, 19-20.
11 Vgl. E. Spranger (Hg.): Fichte, Schleiermacher, Steffens, XV.
12 F. W. J. Schelling: Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums [1803], SW 5,207-352.
 
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