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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0011
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Einleitung des Herausgebers

allem Nutzenkalkül entbundenen Universitätsidee. In seinen Vorlesungen beschwört
Schelling eine geistesaristokratische Ausrichtung der Universität13 sowie - entgegen
den schon damals mit Skepsis beobachteten Spezialisierungs- und Ausdifferenzie-
rungstendenzen und unter Berufung auf den Einheitsgedanken wissenschaftlicher Er-
kenntnis - die Einheit der Universität. Schelling fordert geistige Freiheit für die Leh-
rer, die Unabhängigkeit der Wissenschaft vom Staat sowie die alleinige Geltung der
Wissenschaft als Selbstzweck.14 Vor diesem Hintergrund verfasste Johann Gottlieb
Fichte 1807 anlässlich der geplanten Berliner Universitätsgründung mit seiner Denk-
schrift Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt15 eine der ersten
Schriften, die der klassischen deutschen Universitätsidee eine klare Kontur verleihen
sollten. Fichte nimmt hier den Standpunkt ein, dass sich eine zeitgemäße Universität
von der scholastischen Tradition abgrenzen müsse, und schlägt eine neue Definition
der Universitäten als »Kunstschulen des wissenschaftlichen Verstandesgebrauchs« vor,
und zwar nicht im Sinne bloßen Auffassungs-, sondern vielmehr des »Beurtheilungsver-
mögens«.16 Entsprechend besteht für Fichte die Aufgabe der höchsten Bildungsanstalt
nicht primär in der Wissensvermittlung, sondern in der Schulung der Urteilskraft, der
Kunst der Kritik und dem Gebrauch des Wissens.17 Mit Blick auf die Lehre fordert er
ein Bekenntnis zur dialogischen Form nach dem Vorbild der sokratischen Methode.
Ferner hat sich das gesamte Leben des »Lehrlings einer solchen Anstalt« nach Fichtes
Vorstellung dem Zweck der wissenschaftlichen Bildung unterzuordnen. Die Bereit-
schaft zur sozialen Isolation und der Verzicht darauf, die Beweggründe für die eigene
Tätigkeit aus den Bedürfnissen des Lebens beziehen zu wollen, stellen für ihn Grund-
anforderungen an die Studierenden dar.18
Während Fichte in erster Linie Anregungen für die Lehre und die wissenschaftli-
che Neuausrichtung der Hochschule gegeben hat, verdankt die deutsche Universitäts-
idee ihre neuhumanistische Prägung vor allem Friedrich Schleiermacherund Wilhelm
von Humboldt. So sieht Schleiermacher in seiner 1808 veröffentlichten Schrift Gele-
gentliche Gedanken über Universitäten im deutschen Sinn die vordringlichste Aufgabe der
Universität darin, den wissenschaftlichen Geist und den Impuls der Wahrheitssuche
in den »Jünglingen« zu wecken und deren besonderes Talent anzuregen. Wie auch
Fichte erhofft er sich die Umsetzung dieser Aufgaben von einem eng an das sokrati-
sche Ideal angelehnten Lehrmodell sowie einem Teilnehmenlassen der Studierenden
an Forschungsprozessen. Ziel und Zweck der höchsten Bildungsanstalt ist für ihn eine

13 Ebd., 237.
14 Ebd., bes. 213,215, 229, 232; vgl. auch E. Spranger (Hg.): Fichte, Schleiermacher, Steffens, XVII.
15 Der volle Titel lautet: Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, die in gehö-
riger Verbindung mit einer Akademie der Wissenschaften stehe (GA Il/n, 81-171).
16 Ebd., 88.
17 Vgl. ebd., 88-90.
18 Ebd., 91-94.
 
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