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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0012
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Einleitung des Herausgebers

XI

um die Achse individueller Talente angeordnete persönliche Bildung, die er - anders
als Fichte19 - nur unter der Bedingung einer weit gefassten akademischen Freiheit für
möglich hält. Die Sphäre akademischer Freiheit soll den Studierenden nach Schleier-
machers Willen durch eine deutliche Abgrenzung des universitären Lebens vom kon-
ventionell bürgerlichen experimentelle Freiräume für die zukünftige Sittenbildung er-
möglichen.20 Anders als Fichte nimmt Schleiermacher eine eher pragmatische Position
zum Verhältnis von Bildung und Ausbildung ein. Zwar steht auch für ihn der »beste
Kopf« und dessen Förderung im wissenschaftlichen Geiste im Vordergrund, aber für
Schleiermacher müssen die Universitäten so eingerichtet sein, dass sie auch »Köpfe
zweiter Klasse« weiter fördern, die dann durch ihre wissenschaftliche Bildung und
»Masse von Kenntnissen« für den Staat von Nutzen seien.21
In Wilhelm von Humboldts erstmals 1896 in Auszügen veröffentlichtem Fragment
»Über die innere und äussere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten
in Berlin« (1809/10)22 münden schließlich die genannten Forderungen in eine pro-
grammatische Grundlegung der neuhumanistischen Universitätsidee. Die Universi-
tät versteht Humboldt dabei als Gipfel der moralischen »Kultur der Nation«. Neben
der Forschung sieht er in der »geistigen und sittlichen Bildung« die zweite wesentliche
Aufgabe der Universität. Einsamkeit und Freiheit hebt Humboldt als Grundprinzipien
des universitären Lebens hervor und hält die Ungezwungenheit für den fruchtbarsten
Boden der Wissenschaftlichkeit.23 Mit seiner Forderung, die Wissenschaft müsse an
der Universität immer als ein »noch nicht ganz aufgelöstes Problem« behandelt wer-
den, akzentuiert er Wahrheitssuche und Geltungskritik als elementare Bestandteile
wissenschaftlichen Forschens.24 Daraus ergibt sich für Humboldt in Konsequenz die
auch für Jaspers bedeutsame Forderung, die Universität »von aller Form im Staate« zu
lösen.25 Der Staat darf nach Humboldts Vorstellung von den Universitäten nichts for-
dern, was sich unmittelbar aus seinen politischen Interessen speist. Vielmehr sieht
Humboldt den Staat in der Pflicht, die Einsicht und das Vertrauen aufzubringen, dass

19 Vgl. J. G. Fichte: Ueber das Wesen des Gelehrten und seine Erscheinungen im Gebiete der Freiheit, GA
1/8, 59-139,105.
20 F. D. E. Schleiermacher: Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn. Nebst einem
Anhang über eine neu zu errichtende [sic], KGA1/6,15-100, 73.
21 Ebd.,45.
22 Das Fragment war zu Humboldts Lebzeiten unbekannt und wurde erst 1896 von dem Historiker
Bruno Gebhardt aufgefunden und in Auszügen veröffentlicht; 1900 erfolgte die erste vollstän-
dige Publikation des Textes (vgl. A. Harnack [Hg.]: Geschichte der Königlichen Preußischen Akademie
der Wissenschaften, Bd. 2, Berlin 1900, 361-367; vgl. auch: U. Herrmann: Bildung durch Wissen-
schaft? Mythos »Humboldt«, Ulm 1999).
23 W. v. Humboldt: »Über die innere und äussere Organisation der höheren wissenschaftlichen An-
stalten in Berlin«, GS X, 250-260,251.
24 Ebd.
25 Vgl. ebd., 252.
 
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