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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0025
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XXIV

Einleitung des Herausgebers

hagen an der bisherigen Praxis der universitären Selbstverwaltung. So drängt Jaspers
auf eine Vereinfachung der Verwaltung und Abschaffung aller »Umständlichkeiten«,
die mit der akademischen Selbstverwaltung für die Lehrkräfte einhergingen. Trotz der
bekundeten Sympathie zeigt sich aber auch eine deutliche Skepsis gegenüber dem Füh-
rerprinzip. Zum Ausdruck kommt diese insbesondere darin, dass seine Überlegungen
zur Rolle des »Hochschulführers« einen Rechtfertigungszwang vorsehen, um einem
möglichen Missbrauch der ihm gewährten Entscheidungshoheit vorzubeugen.86
Ein zweites signifikantes Merkmal der »Thesen« ist eine dem autoritären Geist des
Führerprinzips geradezu entgegengesetzte Betonung der Unerlässlichkeit der akade-
mischen Freiheit. Während Heidegger in seiner Rektoratsrede entschieden für die
Aufhebung der akademischen Freiheit plädiert,87 fordert Jaspers gerade deren Auswei-
tung, indem er eine Abschaffung aller Studienpläne, Scheine und formaler Nachweise
empfiehlt sowie eine freie Professorenwahl.88 Das Postulat der akademischen Freiheit
bildet auch die entscheidende Beurteilungsgrundlage für seine Stellungnahmen zu
»Arbeitsdienst«89 und »Wehrsport«,90 die Heidegger mit dem »Wissensdienst« feierlich
zu einer Trias erhoben hatte91 und die Jaspers trotz vorsichtiger Affirmation als Hin-
dernis für ein fruchtbares Studium ansieht.92
Dass Heidegger in wesentlichen Punkten wie der akademischen Freiheit und der
Einschätzung der studentischen Dienstpflichten konträre Positionen vertrat, hat Jas-
pers zwar ebenso wenig wie die nationalsozialistische Gesetzgebung davon abgehal-
ten, seine »Thesen« unter Verwendung nationaler Floskeln zu Papier zu bringen - seine
Fehleinschätzung der hochschulpolitischen Dialogbereitschaft der neuen Machtha-
ber, zu denen auf einer niedrigen Stufe auch Heidegger zählte,93 und die inhaltliche

86 Ebd., 21; vgl. hierzu den Hinweis von Hans Saner in: M. Heidegger, K. Jaspers: Briefwechsel, 262.
87 In seiner Rektoratsrede sagt Heidegger: »Die vielbesungene »akademische Freiheit wird aus der
deutschen Universität verstoßen; denn diese Freiheit war unecht, weil nur verneinend« (Die Selbst-
behauptung der deutschen Universität, GA16,113).
88 K. Jaspers: »Thesen zur Frage der Hochschulerneuerung«, 17.
89 Ein allgemeiner freiwilliger Arbeitsdienst war bereits von Reichskanzler Heinrich Brüning mit ei-
ner Notverordnung vom 23. Juli 1931 eingeführt worden. Im Juni 1933 ordnete die nunmehr als
Gesamtvertretung der Studierenden anerkannte »Deutsche Studentenschaft« (DSt) die »studen-
tische Arbeitsdienstpflicht« an, die einen zehnwöchigen Arbeitsdienst zur Pflicht erhob (vgl. H.
Weisert: Verfassung der Universität, 135).
90 Der Wehrsport wurde als eine Art Ersatz für die durch den Versailler Vertrag weitgehend unter-
bundene Wehrertüchtigung durch die nationalen Streitkräfte eingeführt. Der 1926 gegründete
»Nationalsozialistische deutsche Studentenbund« (NSDStB) unterhöhlte die restriktiven Rege-
lungen mit Erfolg und hatte das Wehrsportkonzept Ende der I92oer-Jahre zu einem prioritären
Element ihres hochschulpolitischen Programms gemacht (vgl. M. H. Kater: Studentenschaft und
Rechtsradikalismus, 162-166).
91 Vgl. M. Heidegger: Die Selbstbehauptung, 114.
92 Vgl. K. Jaspers: »Thesen zur Frage der Hochschulerneuerung«, 22-23.
93 Heidegger war am 21. April 1933 zum Rektor der Freiburger Universität gewählt worden. Zur Zeit
der Abfassung der »Thesen« beteiligte er sich an der Ausarbeitung einer neuen Universitätsverfas-
 
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