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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0055
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LIV

Einleitung des Herausgebers

allem durch Jaspers’ existenzphilosophisch motivierte Hervorhebung der Bedeutung
»selbstseiender Menschen« und die Kritik an der Tyrannei eines alle Bereiche des
menschlichen Lebens kolonialisierenden und persönliche Größe nivellierenden »Da-
seinsapparats«, wie er sie in Die geistige Situation der Zeit formuliert hatte. Die in dieser
Schrift spürbare Enttäuschung über die Weimarer Demokratie und die Kritik an den
hochschulpolitischen Entwicklungen, die sich zwei Jahre später in den »Thesen zur
Frage der Hochschulerneuerung« am augenfälligsten entlud, brachte es mit sich, dass
Jaspers erst durch die Erfahrungen der NS-Zeit ein Bewusstsein für die weitreichenden
Konsequenzen politischen Handelns ausbildete und sich nach zwischenzeitlicher Ent-
fremdung von der Weimarer Republik erst 1945 wieder offen zur Demokratie bekannte.
Neben der durch die NS-Diktatur angestoßenen Reflexion, einerseits der politischen
Abhängigkeit der Universität und andererseits der gesellschaftlichen Aufgabe wissen-
schaftlicher Wahrheitssuche, hat auch Jaspers’ Ausarbeitung seiner »Philosophischen
Logik«, die er seit seinen Vorlesungen Vernunft und Existenz und Existenzphilosophie ver-
folgte, deutlichen Einfluss auf die Überarbeitung der Schrift ausgeübt. Dies zeigt sich
insbesondere in der Aufnahme der bereits 1938 in dem Vorlesungsband Existenzphilo-
sophie artikulierten Überlegungen zum Verhältnis von Philosophie und Wissenschaft.
Nach dem Krieg sah Jaspers in der Universität als Institution und der Aristokratie
des Geistes als personeller Ressource die Keimzelle für eine mögliche geistige Wand-
lung Deutschlands aus der Rückbesinnung auf dessen kulturelles Erbe. Mit Blick auf
die Bedingungen von Freiheit und Totalitarismus wird eine direkte Verbindungslinie
zwischen seiner Sorge um die Geistesaristokratie an den Universitäten und der Refle-
xion der gesellschaftlichen Bedeutung von Wahrheit und Unwahrheit erkennbar. Die
Bedeutung der Universität für Freiheit und Demokratie kann in diesem Zusammen-
hang als eine wesentliche Motivationsgrundlage für Jaspers’ Tätigkeit als politischer
Schriftsteller gelten. Dies zeigt sich vor allem in der Einleitung der letzten Ausgabe der
Idee der Universität. Die Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus, die Jaspers unter
dem Einfluss Hannah Arendts seit Anfang der I95oer-Jahre führte, bildet hierfür die
wesentliche Grundlage. Davon zeugt die These von der wechselseitigen Abhängigkeit
von Wahrheit, Freiheit und Friede247 ebenso wie Jaspers’ Sorge, die Verschulung der
Universitäten könne zum Wegbereiter eines erneuten Totalitarismus in Deutschland
werden. Fügt man diese Gedanken zusammen, so wird deutlich, dass Jaspers in der
Universität spätestens seit 1945 ein Bewährungsfeld und einen Indikator für eine frei-
heitliche demokratische Gesellschaft gesehen hat.

247 Vgl. Fußnote Nr. 230.
 
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