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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0058
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Einleitung des Herausgebers

LVII

Aufhebung der Fachhochschulen260 oder die Forderung der Autonomie der Universität
gegenüber dem Staat.261 Unter den zeitgenössischen Auseinandersetzungen bilden die-
jenigen von Helmut Schelsky und Jürgen Habermas noch die umfangreichsten und
tiefgreifendsten.
Habermas hatte bereits in seinem 1957 erschienenen Aufsatz »Das chronische Lei-
den der Hochschulreform«262 Einwände gegen Jaspers vorgebracht. Unter Bezugnahme
auf »Vom rechten Geist der Universität« äußert er erhebliche Zweifel daran, dass die Po-
litik gewillt sein werde, der Forderung nach einer Stärkung des geistigen Fundaments
der Universität nachzukommen, und stellt die Annahme einer kausalen Verknüpfung
zwischen einem Ethos der Wissenschaftlichkeit und der Persönlichkeitsbildung einer-
seits und der Struktur wissenschaftlicher Forschungstätigkeit auf der anderen Seite in
Frage.263 Auch gibt er zu bedenken, dass die Anforderung an die Universität, Persön-
lichkeiten zu bilden, längst von den gesellschaftlichen Entwicklungen überholt wor-
den sein könnte.264 Fast dreißigjahre später geht Habermas in seinem Vortrag »Die Idee
der Universität - Lernprozesse«265 abermals mit Jaspers ins Gericht und kritisiert die
Anleihen, die er beim Deutschen Idealismus nimmt. Dabei greift Habermas in erster
Linie die »implizite Soziologie« des Deutschen Idealismus an, die er auch in Jaspers’
Überlegungen zur Universitätsidee zu erkennen meint und derzufolge institutionelle
Ordnungen zu toter Materie erstarrten, sobald der Geist aus ihnen weiche. Habermas
hält die Prämisse, dass ein so komplexes Gebilde wie das moderne Hochschulsystem
von einer gemeinsamen Denkungsart seiner Angehörigen getragen werden müsse, für
unrealistisch und ihre Wünschbarkeit für fraglich.
In seiner Schrift Einsamkeit und Freiheit von 1963266 kritisiert der Soziologe Helmut
Schelsky trotz Übereinstimmung mit Jaspers’ Einschätzung des Reformdiskurses und
der Bedeutung einer »Haltung der Wissenschaftlichkeit« dessen Vorstellung, die Er-
neuerung der Universität müsse sich »in einer idealerfüllte [n] geistige [n] Wiederge-
burtsbewegung« entfalten.267 Auch mit Blick auf die Betonung der persönlichen Ge-
staltungskraft der Dozierenden und Studierenden als wesentlicher Bedingung einer

260 Vgl. A. Nitschke: »Universität und technische Hochschule«, in: P. Bahrdt, J. Habermas (Hg): Uni-
versität und Universalität, Berlin 1963,109-120, bes. 110.
261 Vgl. R. Dahrendorf: »Autonomie der Universität?«, in: A. Flitner, U. Herrmann (Hg.): Universität
heute. Wem dient sie? Wer steuert sie?, München, Zürich 1977,13-31.
262 J. Habermas: »Das chronische Leiden der Hochschulreform« [1957], in: ders.: Kleine Politische
Schriften I-IV, Frankfurt a.M. 1981,13-40, bes. 13-17,26.
263 Ebd., 26.
264 Ebd., 31.
265 J. Habermas: »Die Idee der Universität - Lernprozesse« [1986], in: ders.: Eine Art Schadensabwick-
lung. Kleine Politische Schriften VI, Frankfurt a.M. 1987, 71-99, 73.
266 H. Schelsky: Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen.
267 Ebd., 265,296.
 
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