Die Idee der Universität [1923]
II
bindet. Geistig ist das Objektive, das im Subjekt existentiell wird, das vom Subjekt assi-
miliert und durch dieses wirkend ist. Der Geist manifestiert sich nur in menschlichen
Persönlichkeiten und ihren Werken (Taten, Gedanken, geschaffenen Gestalten). Daher
will alles Geistige auf Persönlichkeiten bezogen, nicht als rein Objektives genommen
sein. Das rein Objektive ist ein Isoliertes und darum ungeistig. Ungeistig ist das bloße
Fragen nach Richtigkeit im Erkennen, das faktisch schließlich zur vollen Auflösung oder
zu Nichtigkeiten führt, ungeistig das Fixiertsein an das ästhetisch »Richtige«, ungeistig
der fraglose Gehorsam gegen endgültige Formeln im Handeln. Aber Geist besteht um-
gekehrt nur im Erkennen, wenn es auch den Willen zur Richtigkeit in sich aufnimmt,
im Handeln, wenn es die Stütze der ethischen Imperative zur Grundlage hat; beide sind
aber nur geistig, wenn der Potenz nach in Krisen eine Überwindung und Umschmel-
zung möglich ist. Darum ist als geistig gesehen das Objektive nie an sich, sondern nur
in bezug auf Persönlichkeiten zu werten. Zum Beispiel hat eine Philosophie, die nicht in
der Persönlichkeit existentiell wird und ebenso und gleichzeitig durch diese wie durch
objektive Evidenz wirkt, keinen geistigen Charakter, sondern ist nur eine Art Rechen-
kunst; ebenso ein Handeln, das nur aus Formeln, nicht aus der Existenz einer bewegten
Persönlichkeit | ergriffen wird. Da wir zunächst alles entweder als Subjekt oder als Ob- 7
jekt denken müssen, dieser Gegensatz die Welt für uns zerspaltet,10 so ist uns als Betrach-
tenden der Geist auch immer wieder entweder in Persönlichkeiten oder in objektiven
Gebilden sichtbar. Daher gibt es die doppelte Verirrung in der Auffassung: der Geist sei
das Objektive, Allgemeingültige, oder er sei das Subjektive, Existentielle; eine doppelte
Verirrung, die sich darin endgültig kristallisiert, daß man zwei Welten oder Sphären ne-
beneinander stellt. Ein subjektivistischer Individualismus möchte sich der Bindungen
und Leistungen entledigen, ein objektivistischer Universalismus möchte von der Ver-
antwortlichkeit für die persönliche Existenz befreit sein, indem er z.B. an die Stelle gren-
zenloser ethischer Selbstdurchleuchtung und Selbstgestaltung die bloße objektive Mo-
ralität der bewußten Handlungen setzt. Der Geist ist nicht vollendet als Gegenstand zu
gewinnen, da er ewiger Prozeß ist; er ist weder in objektiven Gebilden vollendet anzu-
schauen, noch in Persönlichkeiten. Geist ist eine Idee, die nicht als Ganzes erfüllt wer-
den kann durch Anschauung, und die, wenn sie gedacht wird, in lauter gegensätzlichen
Bestimmungen gedacht werden muß. Die höchste Annäherung der Anschauung geben
die Persönlichkeiten, sofern sie als Ganzes mit ihren Werken und Taten erfaßt werden.
Bildung
Bildung heißt der Vorgang der Entwicklung und Prägung des Einzelnen und der er-
worbene Zustand. Hier ist der letztere gemeint. Man unterscheidet Gebildete und Un-
gebildete. Diese Bildung hat mehrere Seiten, die nicht immer zusammenfallen:
1. Bildung wird gemeint als Ausbildung in einer besonderen Fertigkeit, zu einem be-
stimmten Beruf, der besonderes Wissen und besondere erwerbbare Geschicklichkeit
voraussetzt. Man unterscheidet solche Fachbildung von der »allgemeinen Bildung«.
II
bindet. Geistig ist das Objektive, das im Subjekt existentiell wird, das vom Subjekt assi-
miliert und durch dieses wirkend ist. Der Geist manifestiert sich nur in menschlichen
Persönlichkeiten und ihren Werken (Taten, Gedanken, geschaffenen Gestalten). Daher
will alles Geistige auf Persönlichkeiten bezogen, nicht als rein Objektives genommen
sein. Das rein Objektive ist ein Isoliertes und darum ungeistig. Ungeistig ist das bloße
Fragen nach Richtigkeit im Erkennen, das faktisch schließlich zur vollen Auflösung oder
zu Nichtigkeiten führt, ungeistig das Fixiertsein an das ästhetisch »Richtige«, ungeistig
der fraglose Gehorsam gegen endgültige Formeln im Handeln. Aber Geist besteht um-
gekehrt nur im Erkennen, wenn es auch den Willen zur Richtigkeit in sich aufnimmt,
im Handeln, wenn es die Stütze der ethischen Imperative zur Grundlage hat; beide sind
aber nur geistig, wenn der Potenz nach in Krisen eine Überwindung und Umschmel-
zung möglich ist. Darum ist als geistig gesehen das Objektive nie an sich, sondern nur
in bezug auf Persönlichkeiten zu werten. Zum Beispiel hat eine Philosophie, die nicht in
der Persönlichkeit existentiell wird und ebenso und gleichzeitig durch diese wie durch
objektive Evidenz wirkt, keinen geistigen Charakter, sondern ist nur eine Art Rechen-
kunst; ebenso ein Handeln, das nur aus Formeln, nicht aus der Existenz einer bewegten
Persönlichkeit | ergriffen wird. Da wir zunächst alles entweder als Subjekt oder als Ob- 7
jekt denken müssen, dieser Gegensatz die Welt für uns zerspaltet,10 so ist uns als Betrach-
tenden der Geist auch immer wieder entweder in Persönlichkeiten oder in objektiven
Gebilden sichtbar. Daher gibt es die doppelte Verirrung in der Auffassung: der Geist sei
das Objektive, Allgemeingültige, oder er sei das Subjektive, Existentielle; eine doppelte
Verirrung, die sich darin endgültig kristallisiert, daß man zwei Welten oder Sphären ne-
beneinander stellt. Ein subjektivistischer Individualismus möchte sich der Bindungen
und Leistungen entledigen, ein objektivistischer Universalismus möchte von der Ver-
antwortlichkeit für die persönliche Existenz befreit sein, indem er z.B. an die Stelle gren-
zenloser ethischer Selbstdurchleuchtung und Selbstgestaltung die bloße objektive Mo-
ralität der bewußten Handlungen setzt. Der Geist ist nicht vollendet als Gegenstand zu
gewinnen, da er ewiger Prozeß ist; er ist weder in objektiven Gebilden vollendet anzu-
schauen, noch in Persönlichkeiten. Geist ist eine Idee, die nicht als Ganzes erfüllt wer-
den kann durch Anschauung, und die, wenn sie gedacht wird, in lauter gegensätzlichen
Bestimmungen gedacht werden muß. Die höchste Annäherung der Anschauung geben
die Persönlichkeiten, sofern sie als Ganzes mit ihren Werken und Taten erfaßt werden.
Bildung
Bildung heißt der Vorgang der Entwicklung und Prägung des Einzelnen und der er-
worbene Zustand. Hier ist der letztere gemeint. Man unterscheidet Gebildete und Un-
gebildete. Diese Bildung hat mehrere Seiten, die nicht immer zusammenfallen:
1. Bildung wird gemeint als Ausbildung in einer besonderen Fertigkeit, zu einem be-
stimmten Beruf, der besonderes Wissen und besondere erwerbbare Geschicklichkeit
voraussetzt. Man unterscheidet solche Fachbildung von der »allgemeinen Bildung«.