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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0096
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Die Idee der Universität [1923]

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bendiger Forscher, nicht in geistiger Bewegung. Der Lehrstoff ist System. Es gibt maß-
gebende autoritative Schriftsteller und Bücher. Der Lehrer wirkt ganz unpersönlich,
nur als Vertreter, der durch jeden anderen ersetzbar ist. Der Stoff ist in Formeln und
Definitionen gepreßt. Im Mittelalter diktierte man und kommentierte. Das Diktieren
fällt heute fort, da es durch Bücher ersetzbar ist. Der Sinn und | die Gesinnung sind 20
auch noch heute wie zu allen Zeiten denkbar. Man ordnet sich einem Ganzen unter,
in dem man geborgen ist ohne sich irgendeiner einzelnen Persönlichkeit zu verschrei-
ben. Vielmehr sind alle nur Vertreter. Das Wissen ist als ein riesiges geordnetes Welt-
bild endgültig fixiert. Die Gesinnung ist: man will das Feste lernen, die Resultate, Er-
gebnisse sich aneignen, »schwarz auf weiß nach Hause tragen«.41 - Das Scholastische
bleibt eine unumgängliche Basis der rationalen Tradition.
2. Meistererziehung:42 Maßgebend ist nicht eine unpersönliche Autorität der Tradi-
tion, sondern eine Persönlichkeit, welche als einzig empfunden wird. Die ihr gezollte
Verehrung und Liebe haben einen Zug der Anbetung. Die Distanz in Unterordnung
setzt nicht nur einen quantitativen Unterschied des Grades, nicht nur einen Unter-
schied der Generationen, sondern einen qualitativen Unterschied wesenhafter Ver-
schiedenheit. Die Autorität der Persönlichkeit hat eine wunderbare Kraft. Das Bedürf-
nis nach Unterordnung, das Bedürfnis, der absolut freien Verantwortung zu entgehen,
die Erleichterung im Sichanhängen, die Steigerung des sonst geringen Selbstbewußt-
seins durch ein Wertgefühl aus der Zugehörigkeit zu einem solchen Bunde, das Ver-
langen nach strenger Erziehung, die aber aus eigener Kraft nicht gelingt - alle solche
Motive finden sich zusammen. Es ist dieselbe Gesinnung der Unterordnung wie bei
scholastischer Erziehung, aber von dieser gänzlich verschieden dadurch, daß die Per-
sönlichkeit im Zentrum steht').43
3. Sokratische Erziehung:44 Lehrer und Schüler stehen dem Sinn nach auf gleichem
Niveau. Beide sind der Idee nach frei. Es gibt keine absolut feste Lehre, sondern es
herrscht das grenzenlose Fragen und das Nichtwissen im Absoluten. Die persönliche
Verantwortung und Existenz wird damit auf das äußerste akzentuiert und nirgends er-
leichtert. Die Erziehung ist eine »mäeutische«,45 d.h. es wird den Kräften im Schüler
zur Geburt geholfen, es werden in ihm vorhandene Potenzen geweckt, aber nicht von
außen aufgezwungen. Es besteht dabei die Idee, daß nicht das zufällige, empirische In-
dividuum in seiner besonderen Artung, sondern ein Selbst zur Geltung kommt, das im
unendlichen Prozesse die Synthese des Persönlichen und Allgemeinen ist. Die Idee des
Geistes | ist das Absolute dieser Erziehung. Dem immer wiederkehrenden Drange der 21
Schüler, den Lehrer als Autorität zu nehmen, aus ihm einen Meister zu machen, wi-
dersteht der sokratische Lehrer als der größten Verführung der Schüler: er weist sie von
sich auf sich selbst zurück, er versteckt sich in Paradoxien; macht sich unzugänglich.

Ein Beispiel ist der Bund der Pythagoreer. Vgl. Burckhardt, J.: Pythagoras, Vorträge, S. 228-249.
Basel 1918.
 
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