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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0101
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Die Idee der Universität [1923]

Wir unterscheiden in der Begabung vier Momente:
1. Die Voraussetzungen der Begabung, wie Gedächtnis, Merkfähigkeit, Lernfähigkeit,
Ermüdbarkeit, Übbarkeit, Eigenschaften der Sinnesorgane, Unterscheidungsempfind-
lichkeit, Ablenkbarkeit usw. Alles dieses ist experimentell untersuchbar, mehr oder we-
niger meßbar, mit besonnener Kritik auch bei einer Gruppe von Individuen verglei-
chend zu prüfen, so daß man für die jeweilige Leistung die der Begabung nach
Tüchtigkeiten herausfinden kann.
2. Die eigentliche Intelligenz ist schon schwerer zu fassen. Man hat auch hier Prüfun-
gen der Kombinationsfähigkeit, der Anpassungsfähigkeit an neue Situationen u.dgl.
versucht.48 Jedoch ist hier alles viel unsicherer. Einerseits beachtet man auch hier be-
sondere intellektuelle Fähigkeiten, Talente, andererseits denkt man an einen intellek-
tuellen Zentralfaktor, eine allgemeine Intelligenz, ohne etwa irgendeine endgültige
Klarheit gewonnen zu haben.
3. Die Geistigkeit, das Ethos der Intelligenz, die »Interessen« (nach Abzug der blo-
ßen Lust an der Ausübung der Funktion, der bloßen Lust am Erfolg, am Übertreffen),
die eigentlich sachlichen Interessen, die Liebe zur Sache, der Objektivitätswille, die
Wahrhaftigkeit, der Enthusiasmus des Erkennens. Dieses alles ist weder experimentell
zu fassen, noch ernsthaft empirisch zu beurteilen, da es das unter den Menschen spär-
lich Verbreitete ist, und zahlreiche Menschen, die über die geistige Auslese in Prüfun-
gen entscheiden, selbst nur einen sehr geringen Funken dieser Geistigkeit in sich zu
tragen scheinen.
27 | 4. Das Schöpferische, Geniale. Dieses steht ganz außer der Reihe des objektiv Beur-
teilbaren. Zu sagen, was man damit meine, führt zu höchst subjektiven Formulierun-
gen. Das Schöpferische ist ein Dämonisches,49 das dem Menschen gegeben, dann im
Fleiß verarbeitet oder nichtachtend verschwendet wird. Es gibt verkommene Genies,
die aus ihrem Dämon nichts machen, da ihnen Zucht und Besonnenheit fehlt. Das
Geniale, solange es in einem Menschen flammt, ist immer geistig, schafft Urerfahrun-
gen, ursprüngliche menschliche Stellungen, Ideen, Gestalten. Es ist als lebenbeherr-
schender Dämon selten, nicht Gegenstand des Wollens, außer jeder Berechnung und
Züchtung, außerhalb jeder willentlichen Auslese, außerhalb objektiver, jedermann
zwingend zu machender Maßstäbe (auch nicht vererbbar, im Gegensatz zu Talent und
allen Begabungseigenschaften). Das Genie ist, metaphysisch gesprochen, gleichsam
ein Versuch, ein Wurf, eine Manifestation des absoluten Geistes, es ist Quelle, Aus-
gang aller geistigen Bewegung. Wir leben geistig von dem, was das Genie uns geschaf-
fen hat und vielfach von der Umsetzung des genialen Werks in das allgemeine Wissen
und Auffassen. Unser höchster Respekt gilt dem Genie, selbst wenn es verkommt, und
unsere Forderung ist, überall das Ursprüngliche, Geniale zu spüren - das ist der gute
Wille der Geistigkeit -, es sichtbar zu machen und zur Geltung zu bringen. Darauf kann
sich der Wille richten, auf diese Arbeit der Aneignung, Interpretation, Tradition. Wenn
auch der Unterschied zwischen dem Genie und uns ein ungeheurer ist, so ist doch das
 
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