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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0125
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Die Idee der Universität [1923]

den Apparaten, den Begriffen im konkreten Fall zu eigen gemacht. Sie sind durch ei-
gene Initiative der Teilnehmer zu erweitern und privatissime fortzusetzen. In kleinen
Kreisen werden unter aktiver Teilnahme aller Glieder prinzipielle Fragen erörtert und
die Grundlage geschaffen, auf der jeweils zwei zu einer ernsthaften Diskussion in be-
wegtem Hin und Her bis zum letzten unter vier Augen veranlaßt werden können. Hier
treten Lehrer und Student sich - wie überall der Idee nach - auf gleichem Niveau ge-
genüber, gemeinsam in dem Bemühen, dem Geiste immer von neuem in dem ihnen
erreichbaren Niveau und in möglichst klarer, bewußter Gestalt Gegenwart zu verschaf-
fen, und um die bewegenden Impulse zu wecken und zu beleben, die allein in einsa-
mer Arbeit zu objektiven Leistungen führen. - Den bei weitem größten Raum nimmt
das Handwerkliche ein; die erheblichen Unterschiede des Unterrichts je nach Art der
besonderen Fächer und der notwendigen technischen Mittel seien nicht näher erör-
tert. Auch die wenigen oben gemachten Bemerkungen sind schon falsch, wenn man
sie fixiert. Die Abweichungen persönlicher Art, die besonderen Zwecke des Augen-
blicks lassen den Unterricht immer wieder anders erscheinen. Eine feste didaktische
Tradition ist in vielen Fällen vorhanden, ist aber doch nur das Skelett, nicht das Leben
des Unterrichts. Zumal die Vorlesungen können so verschiedenartige Werte verwirk-
lichen, daß man nicht einen Maßstab des Richtigen aufstellen kann. Vorlesungen, die
didaktisch sich innerlich an die Hörer wenden und sie einführen und heranziehen,
sind ebenso möglich wie monologische Erörterungen lebendiger Forschungen, bei de-
nen der Lehrer kaum an den Hörer denkt, die aber gerade darum dem Hörer Unersetz-
liches bieten, augenblickshafte Teilnahme an wirklicher Forschung, auch wenn nicht
alle Hörer alles verstehen.
Ein Unterricht sieht ganz anders aus, wenn er sich an die Masse des Durchschnitts
hält, als wenn er sich an eine Auswahl Begabter wendet. Es ist ein Grundunterschied
der Volks- und Mittelschulen auf der einen Seite und der Universität auf der anderen,
daß die ersteren alle ihnen anvertrauten Zöglinge lehren und erziehen sollen, letztere
dazu keineswegs verpflichtet ist. Der Sinn der Universitätsbildung ist, daß sie nur einer
59 Auswahl solcher Menschen zukommt, die von ungewöhnlichem geistigen Willen | be-
seelt sind und zureichende Werkzeuge haben. Tatsächlich kommt zur Universität eine
durchschnittliche Masse von Menschen, die durch den Besuch einer höheren Schule
sich die erforderlichen Kenntnisse erwerben konnten. Die geistige Auslese wäre daher
an die Universität selbst verlegt und muß hierher verlegt werden. Das Wichtigste, der
Wille zur Objektivität und das unbezähmbare, opferbereite Drängen zum Geist, sind
gar nicht vorher, objektiv und direkt, erkennbar. Diese Anlage, die nur bei einer Mino-
rität von Menschen in unberechenbarer Verteilung vorhanden ist, kann nur indirekt
bevorzugt und zur Wirksamkeit gebracht werden. Der Unterricht an der Hochschule
hat sich der Idee der Universität nach allein auf diese Minorität einzustellen. Der echte
Student vermag unter Schwierigkeiten und unter Irrtümern, die für die geistige Ent-
wicklung nötig und unausweichlich sind, in dem reichen Angebot an Unterricht und
 
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