Die Idee der Universität [1923]
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Möglichkeiten an der Universität (die äußerlich für den Geistlosen nicht als Totalität,
sondern als bloßes Vielerlei wirken mag), seinen Weg durch Auswahl und Strenge sei-
nes Studiums zu finden. Es ist in Kauf zu nehmen, vielleicht sogar erwünscht, daß die
anderen in Ratlosigkeit, wie sie es anfangen sollen, in dem Chaos aus Mangel an Lei-
tung und Vorschrift, an Plan und Ordnung, möglichst gar nichts lernen. Die künstli-
chen Gängelbänder und Einpaukereien, die Studienpläne und alle die anderen Wege
der Verschulung widersprechen der Universitätsidee und sind aus Anpassung an die
durchschnittliche Masse der Studenten entstanden. Man sagte sich: die Masse der Stu-
denten, die zu uns kommt, muß etwas lernen, jedenfalls so viel, daß die Examina be-
standen werden können. Dieser Grundsatz ist für die Schule ebenso trefflich, wie er für
die Universität, die ja auch schon dem Alter nach Erwachsene als Studenten hat, ver-
derblich ist.
Über die indirekte Auslese der Geistigen seien noch einige Bemerkungen eingeschaltet: Wer
auf die Universität geht, geht ein Risiko ein. Es muß ihn ein Enthusiasmus, nicht Anspruch auf
standesgemäßen Beruf, auf ökonomische Prämie, auf gesellschaftliche Geltung, auf vermeint-
lich bequemes Leben treiben; dann wagt er. Das Wagnis muß so groß sein, jene Prämien müs-
sen so gering sein, daß ein Mensch aus den bloß äußerlichen Interessen jenes Wagnis gar nicht
eingeht. Der »gute Wille« des Ungeistigen aus den oberen Ständen, das Leistenwollen, »was dazu
gehört«, fleißig zu sein, um die Berechtigungen durch Examina zu erwerben, war anmaßend
und verwerflich, so sehr er auf sentimentales Entgegenkommen zu stoßen pflegte. Die Echtheit
und Intensität des Willens zum Geiste, der zu Opfern | bereit ist, dem der geistige Beruf, Wis-
senschaft als strukturgebend für das Dasein Lebensfrage ist, diese ist entscheidend. Die Werk-
zeuge müssen zureichend sein, sie reichen aber oft als durchschnittlich aus, wenn nur jene Kraft
da ist. Und die besten Werkzeuge, großartige Begabungen der bloßen Intelligenz bleiben unge-
nutzt, wenn diese Kraft fehlt. -
Die Prüfungen am Ende werden unvermeidbar bleiben. Wenn die Ausbildung erschwert ist
in den Punkten, welche es den Ungeistigen schwer machen, die keine Initiative, keinen Instinkt
haben, so wird die Prüfung günstigere Chancen einer treffenden Auswahl haben. Mitwirken
muß die Reihe schriftlicher und anderer selbständiger Leistungen, die während der Unterrichts-
zeit zustande gekommen sind und vom Lehrer kritisch beurteilt und im Zeugnis festgelegt wer-
den. Es wird auf die Dauer wegen der Begrenztheit des Bedürfnisses nach akademischen Beru-
fen die Frage vielleicht unvermeidlich sein, ob ein Numerus clausus für die jährlichen Examina
eingeführt werden solle - solange man am Berechtigungswesen festhält, das für uns durch nichts
Besseres ersetzbar ist. Es muß die freie Wahl des Studierenden am Anfang bleiben - und das Ri-
siko. In jedem anderen Falle würde man die Mehrzahl der eigentlich Geistigen ausschalten. Erst
nach Ablauf des Studiums auf Grund der Leistung darf Anerkennung oder Ablehnung stattfin-
den. Die Schwierigkeiten sind nicht gering: schlechte Examinatoren, urteilsunfähige Dozen-
ten; es wirkt vielleicht doch die Masse, nicht die Minorität, nach welcher sich die Dozenten in
ihrer Unterrichtstätigkeit richten sollten (Interesse am Honorar, Ehrgeiz wegen der Zahl der Hö-
rer). Doch trotz dieser Schwierigkeiten ist die Idee klar.
Die akademischen Berufe sind heute zum größten Teil der Vorrechte, die sie für die Masse an-
ziehend machten, entkleidet worden. Die ökonomische Prämie ist relativ gering geworden. Das
soziale Ansehen als solches ist fast geschwunden, z.B. die »Autorität« des Beamten, des Arztes,
des Lehrers als solchen, die alle diese heute noch beanspruchen (und darin sehr empfindlich
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Möglichkeiten an der Universität (die äußerlich für den Geistlosen nicht als Totalität,
sondern als bloßes Vielerlei wirken mag), seinen Weg durch Auswahl und Strenge sei-
nes Studiums zu finden. Es ist in Kauf zu nehmen, vielleicht sogar erwünscht, daß die
anderen in Ratlosigkeit, wie sie es anfangen sollen, in dem Chaos aus Mangel an Lei-
tung und Vorschrift, an Plan und Ordnung, möglichst gar nichts lernen. Die künstli-
chen Gängelbänder und Einpaukereien, die Studienpläne und alle die anderen Wege
der Verschulung widersprechen der Universitätsidee und sind aus Anpassung an die
durchschnittliche Masse der Studenten entstanden. Man sagte sich: die Masse der Stu-
denten, die zu uns kommt, muß etwas lernen, jedenfalls so viel, daß die Examina be-
standen werden können. Dieser Grundsatz ist für die Schule ebenso trefflich, wie er für
die Universität, die ja auch schon dem Alter nach Erwachsene als Studenten hat, ver-
derblich ist.
Über die indirekte Auslese der Geistigen seien noch einige Bemerkungen eingeschaltet: Wer
auf die Universität geht, geht ein Risiko ein. Es muß ihn ein Enthusiasmus, nicht Anspruch auf
standesgemäßen Beruf, auf ökonomische Prämie, auf gesellschaftliche Geltung, auf vermeint-
lich bequemes Leben treiben; dann wagt er. Das Wagnis muß so groß sein, jene Prämien müs-
sen so gering sein, daß ein Mensch aus den bloß äußerlichen Interessen jenes Wagnis gar nicht
eingeht. Der »gute Wille« des Ungeistigen aus den oberen Ständen, das Leistenwollen, »was dazu
gehört«, fleißig zu sein, um die Berechtigungen durch Examina zu erwerben, war anmaßend
und verwerflich, so sehr er auf sentimentales Entgegenkommen zu stoßen pflegte. Die Echtheit
und Intensität des Willens zum Geiste, der zu Opfern | bereit ist, dem der geistige Beruf, Wis-
senschaft als strukturgebend für das Dasein Lebensfrage ist, diese ist entscheidend. Die Werk-
zeuge müssen zureichend sein, sie reichen aber oft als durchschnittlich aus, wenn nur jene Kraft
da ist. Und die besten Werkzeuge, großartige Begabungen der bloßen Intelligenz bleiben unge-
nutzt, wenn diese Kraft fehlt. -
Die Prüfungen am Ende werden unvermeidbar bleiben. Wenn die Ausbildung erschwert ist
in den Punkten, welche es den Ungeistigen schwer machen, die keine Initiative, keinen Instinkt
haben, so wird die Prüfung günstigere Chancen einer treffenden Auswahl haben. Mitwirken
muß die Reihe schriftlicher und anderer selbständiger Leistungen, die während der Unterrichts-
zeit zustande gekommen sind und vom Lehrer kritisch beurteilt und im Zeugnis festgelegt wer-
den. Es wird auf die Dauer wegen der Begrenztheit des Bedürfnisses nach akademischen Beru-
fen die Frage vielleicht unvermeidlich sein, ob ein Numerus clausus für die jährlichen Examina
eingeführt werden solle - solange man am Berechtigungswesen festhält, das für uns durch nichts
Besseres ersetzbar ist. Es muß die freie Wahl des Studierenden am Anfang bleiben - und das Ri-
siko. In jedem anderen Falle würde man die Mehrzahl der eigentlich Geistigen ausschalten. Erst
nach Ablauf des Studiums auf Grund der Leistung darf Anerkennung oder Ablehnung stattfin-
den. Die Schwierigkeiten sind nicht gering: schlechte Examinatoren, urteilsunfähige Dozen-
ten; es wirkt vielleicht doch die Masse, nicht die Minorität, nach welcher sich die Dozenten in
ihrer Unterrichtstätigkeit richten sollten (Interesse am Honorar, Ehrgeiz wegen der Zahl der Hö-
rer). Doch trotz dieser Schwierigkeiten ist die Idee klar.
Die akademischen Berufe sind heute zum größten Teil der Vorrechte, die sie für die Masse an-
ziehend machten, entkleidet worden. Die ökonomische Prämie ist relativ gering geworden. Das
soziale Ansehen als solches ist fast geschwunden, z.B. die »Autorität« des Beamten, des Arztes,
des Lehrers als solchen, die alle diese heute noch beanspruchen (und darin sehr empfindlich
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