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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0154
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Erneuerung der Universität

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theologische Fakultät, für die Ordnung der irdischen Gemeinschaft die juristische, für
die Gesundheit des Leibes die medizinische. Diese drei oberen waren unterbaut durch
die untere, die philosophische Fakultät. Sie umfaßt für sich den ganzen Kosmos der
Wissenschaften, die Grundwissenschaften,135 auf denen alle Praxis beruht.
| Es war ein Unheil, daß in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts diese 16
Einheit verlorenging, zuerst im Bildungsbewußtsein und dann auch in der äußeren Er-
scheinung der Universität. Die Folgen davon waren: einerseits die Zerstreuung der Wis-
senschaften, damit der Einbruch der Unwissenschaftlichkeit, weil jede einzelne Wis-
senschaft sich zur ganzen machen wollte, und schließlich die Zerstreuung, die in den
Wahnbildungen der nationalsozialistischen Zeit gipfelte; andererseits die Unfähigkeit,
die neuen tatsächlichen Kräfte des Zeitalters, besonders der Technik, in den Zusam-
menhang des Ganzen aufzunehmen und von ihm aus zu durchdringen. Die Erneue-
rung aus dem Ursprung müßte die Universität erweitern auf alle großen menschlichen
Anliegen unseres Zeitalters und zugleich ihre Einheit wiedergewinnen. Sie würde
nachholen, was durch bald ein Jahrhundert versäumt wurde. Die Aufgabe solcher Er-
neuerung geht auf den eigentlichen Sinn unseres Berufs. Vielleicht sind die Begrün-
dung einer technischen neben der theologischen, juristischen und medizinischen Fa-
kultät136 und die Wiederherstellung der alten Einheit der philosophischen Fakultät die
beiden größten Probleme der äußeren Universitätsgestaltung. Sie können gut nur ge-
löst werden, wenn das Ganze unserer Welt in allen einzelnen Forschern lebendig wird.
Dann würden die besonderen Berufe wieder miteinander gehen in einem gemein-
samen Geist. Dann wäre die theologische Fakultät wieder wirklich die oberste Fakul-
tät. Dann lebten alle, während sie ihr besonderes Gebiet bestellten, im Bewußtsein des
Ganzen, im Blick auf seine Symbole. Dann würde auch der in allem gegenwärtige Arzt
wieder Arzt in dem großartigen Sinn des Hippokrates:137 Der Arzt, der philosophisch
ist, ist göttergleich - iarpög cpiZöuocpog iuöOsog.138
Solche Erneuerung der Universität würde mit der ihr erwachsenden Gesinnung den
ganzen Menschen ergreifen. Eine Folge wäre, daß auch die verläßliche Staatsgesinnung
bewußt werden und sich ausbreiten kann. Ein wahrer menschlicher Staat vollzieht mit
der Macht zugleich die Selbstbegrenzung der Macht, weil er das Recht verwirklicht. Er
verwurzelt seinen Sinn in der alltäglichen Denkweise seiner Bürger, in ihrer Solidari-
tät. Er vollzieht, wie alles geistige Leben, ständig Selbstkorrekturen. Seine Freiheit zeigt
sich im gesetzlich geformten Kampf der Geister, die noch im radikalsten Gegensatz
miteinander verbunden bleiben durch die gemeinsame Aufgabe. Er erfüllt sich mit al-
lem Wissen und findet daher in dem geistigen Schaffen der Universität nicht nur sein
hellstes Bewußtsein, sondern die Quelle der Erziehung seiner Bürger. Das aber kann
nur gelingen, wenn die Universität ein umfassendes Ganzes ist, | nicht ein Aggregat 17
von Fachschulen und Spezialitäten. Die Idee der Universität und die Diktatur schlie-
ßen einander aus; das hat der Nationalsozialismus gezeigt. Die Idee der Universität
 
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