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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0164
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Vom lebendigen Geist der Universität

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ferisch als Selbsterhellung des Entbehrens. Nur die Leerheit spürt ihren eigenen Man-
gel nicht mehr.
Im Forscher wird ein merkwürdiger Schwebezustand zum Ausgang der Erkenntnis.
Der nicht zum Zuge kommende Täter wird der beste Erkenner politischer Wirksam-
keit: Machiavelli fand seine tiefsten Einsichten und schuf seine Werke erst, als er vom
politischen Dasein ausgeschlossen war. Max Weber entfaltete seine unerhört tiefdrin-
gende Erkenntnis, weil ihm politische Verwirklichung versagt war. Daher kann der
Geist lebensnah sein in einer Abseitigkeit. Er ist dann verbunden dem, woran er nicht
teil hat. Der lebendige Geist des Verstehens entspringt aber nicht schon dem bloßen
Mangel an Verwirklichung, sondern erst der Verwundung. Menschen, welche gelitten
haben, kommen zur Erkenntnis. Menschen, die gestrandet sind, bringen ihr eigenstes
Leben durch Erkennen hervor. Wie Perlen durch verletzende Fremdkörper in der Mu-
schel entstehen, so die wahrste Erkenntnis aus der tiefsten Verwundung, wenn diese
nicht den Tod gebracht hat.
Das ist noch allgemeiner zu fassen: Da der Mensch als Mensch ein verwundetes We-
sen ist, das nicht rein zurechtkommen kann,157 und da die menschlichen Zustände im-
mer ungenügend sind, da die Zeitalter wie Formen des Versagens erscheinen, so ist der
lebendige Geist der eigentlich wirklichkeitsnahe vielleicht gerade dann, wenn er durch
Beraubung schöpferisch wird.
Aber dieser Weg ist nicht der einzige. Erkenntnis kommt nicht nur aus dem Man-
gel, sondern auch aus der Fülle. Das ist der Grundzug der Naturwissenschaften. Was der
Naturforscher erkennt, das muß er selber leibhaftig und unmittelbar erfahren. Die Pra-
xis der Beobachtung und das Experiment hält sich an die Sache | selbst, nicht an Resi-
duen einer Wirklichkeit, wie Texte, Dokumente, Monumente, Kunstwerke. Der Natur-
forscher hat in der Hand, was er begreift. Das gibt den Naturwissenschaften und den
Naturforschern das vergleichsweise Eindeutige ihres Seins, bringt ihre Erdgegründet-
heit, die praktische Art ihrer Verwirklichung, ihre Unbefangenheit, ihre Offenheit und
Sachlichkeit. Die Gefahr der Hintergründigkeit ist für den Naturforscher geringer, weil
die Natur durch ihre Realität ihn hält und zurechtweist. Daher ist in uns allen das, was
der Naturforschung nahe steht oder von daher kommt, unerläßlich.
Es ist sinngemäß, daß Naturforschung und Medizin auch ihre Praxis an der Univer-
sität anders vollziehen als die Geisteswissenschaften: religiöser Kult, Landesverwaltung,
Rechtsprechung, Staatsführung kommen an der Universität nicht in institutioneller
Zugehörigkeit, sondern nur in persönlicher Beiläufigkeit vor. Was von diesen Wirklich-
keiten an der Universität erforscht wird, das wird an ihr nicht getan. Naturforscher und
Arzt dagegen leben aus der Fülle, nicht aus dem Mangel an Praxis. Das Wesen ihrer Er-
kenntnis setzt nicht notwendig die eigene Verwundung voraus. Hier zeigt sich der
Mensch in seiner Stärke und Ungebrochenheit. Der lebendige Geist ist ganz nur, wenn
im Menschen beide Seiten wirklich werden, die gesunde und die verwundete. Er ist nur
wirklich in der Verbundenheit und Einheit von Natur- und Geisteswissenschaften.

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