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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0169
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Vom lebendigen Geist der Universität

der Protestantismus, sogleich universitätsbegründend und hat als Universität seine
Theologie und seine Pfarrer gebildet. Nur in Deutschland waren die großen, weltge-
schichtlichen Philosophen zugleich Professoren: Kant, Hegel. In der Universität sah
das 19. Jahrhundert die Repräsentation besten deutschen Wesens. Dichterund Künst-
ler standen in Beziehung zur Universität oder im Kampf gegen sie. Die Frage ist berech-
tigt: was ist Deutschland, wenn seine Universität dahin ist? Wird der soziale Körper in
Deutschland es fertig bringen, der Universität den freien Raum zu bewahren? In die-
sem müßte allerdings ganz anderes vollzogen werden als bisher: die Mitschöpfung
des Menschen in dem Weltdasein, das gerade beginnt; die Ermöglichung des Men-
schen in dieser Welt dadurch, daß er wieder offen wird für seine transzendenten Wur-
zeln. Die Geschichte unseres Geistes geht im Augenblick wie der Reiter über den Bo-
densee.176 Man scheint die Gefahr nicht zu merken; und wenn man an sie denkt, muß
man schwindlig werden.
Was aber die Zukunft bringt, und wie die Universität in ihr der Ort der Wahrheit
ist, das kann jedenfalls kein Programm erdenken und keine Organisation machen.
Wahrscheinlich wird diese Zukunft des Menschseins entschieden von dem, was heute
Einzelne in der Einsamkeit und in der Stille tun. Sichtbar ist heute nur, daß die Wasser
steigen, in denen alles ertränkt werden kann.«177
Die Katastrophe kam ganz anders als hier vorausgesehen war. Aus Deutschland
wuchs eine Partei, von der Deutschland in die gegenwärtige, alles Frühere übertref-
fende Vernichtung geführt wurde. Ein politischer Einbruch, gewaltsam eingeleitet
und dann fortgetragen von einem Rausch der Bevölkerung, warf die Universität über
203 den Haufen. Statt eines Selbstver|waltungskörpers blieb eine Schule, die den Anord-
nungen von Berlin zu gehorchen hatte. Wohl gab es noch die Namen von Rektor und
Dekan. Aber sie waren von den Nationalsozialisten ernannt. Entlassungen, Beförde-
rungen, Veränderungen ließen einen nur noch scheinbar geordneten Trümmerhau-
fen entstehen. Ein siegreiches Hitlerdeutschland hätte die Universitäten aufgelöst in
Fachschulen und ersetzt durch Ordensburgen und die dazu gehörenden Parteischulen.
Fast widerstandslos lieferte sich die Universität, lieferten wir uns den Gewaltakten
aus, zwar innerlich mit unserem ganzen Wesen widerstrebend, aber ohne Kampf. Al-
les, was uns Wahrheit, Wissenschaft und Würde geistigen Lebens ist, geriet in die Ver-
borgenheit des Einzelnen. Was öffentlich war, hatte den Schleier von Zwang und Täu-
schung.
Die Folge ist: Auch als Universität haben wir 1933 unsere Würde verloren. Nur eine neue
Universität kann aus dem Zusammentreffen der bis jetzt verborgenen Einzelnen,
durch Dozenten und Studenten eine Würde wieder finden, aber unter anderen Bedin-
gungen, als sie je waren, und mit neuen Aufgaben. Unter den Erscheinungen dieser
zwölf Jahre an der Universität ist eine für uns besonders bemerkenswert. Die geschil-
derten Mängel des geistigen Lebens der modernen Universität fanden die schärfste Kri-
tik seitens der Nationalsozialisten. Sie zersetzten das schon Verderbende. Vieles schein-
 
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