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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0184
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Die Idee der Universität [1946]

109

| Einleitung

Die Universität hat die Aufgabe, die Wahrheit in der Gemeinschaft von Forschern und
Schülern zu suchen.195 Sie ist eine Korporation mit Selbstverwaltung, ob sie nun die Mittel
ihres Daseins durch Stiftungen, durch alten Besitz, durch den Staat, und ob sie ihre öf-
fentliche Autorisierung durch päpstliche Bullen, kaiserliche Stiftungsbriefe oder landes-
staatliche Akte hat. Unter allen diesen Bedingungen kann sie ihr Eigenleben unabhängig
vollziehen, weil die Begründer der Universität dieses wollen oder solange sie es dulden.
Sie hat ihr Eigenleben, das der Staat frei läßt, aus der unvergänglichen Idee, einer Idee
übernationalen, weltweiten Charakters wie die der Kirche.196 Sie beansprucht und ihr
wird gewährt die Freiheit der Lehre. Das heißt, sie soll die Wahrheit lehren unabhängig
von Wünschen und Weisungen, die sie von außen oder von innen beschränken möchten.
Die Universität ist eine Schule, aber eine einzigartige Schule. An ihr soll nicht nur
unterrichtet werden, sondern der Schüler an der Forschung teilnehmen und dadurch
zu einer sein Leben bestimmenden wissenschaftlichen Bildung kommen. Die Schüler
sind der Idee nach selbständige, selbstverantwortliche, ihren Lehrern kritisch folgende
Denker. Sie haben die Freiheit des Lernens.
Die Universität ist die Stätte, an der Gesellschaft und Staat das hellste Bewußtsein
des Zeitalters sich entfalten lassen.197 Dort dürfen als Lehrer und Schüler Menschen zu-
sammenkommen, die hier nur den Beruf haben, Wahrheit zu ergreifen. Denn daß ir-
gendwo bedingungslose Wahrheitsforschung stattfinde, ist ein Anspruch des Men-
schen als Menschen.
Die Mächte in Staat und Gesellschaft sorgen aber zugleich für die Universität, weil
dort die Grundlage für die Ausübung staatlicher Berufe gewonnen wird, die wissen-
schaftliches Können und geistige Bildung verlangen. Es ist eine nur selten bezweifelte
Voraussetzung, daß die Wahrheitsforschung erwünschte Folgen für die Ausübung die- 10
ser Berufe hat, nicht nur durch die Ergebnisse der Wissenschaften, sondern vor allem
durch die Bildung des Geistes derer, die durch die Universität hindurchgegangen sind.
Aber sogar wenn dies zweifelhaft wäre, ist der Grundwille des Menschen, das grenzenlose
Wahrheitssuchen um jeden Preis zu wagen. Denn allein dies ermöglicht ihm, in der Er-
fahrung des Seins die erreichbare Höhe zu erklimmen. So ist die Universität eine Anstalt
mit realen Zielen, die jedoch erreicht werden in einem Aufschwung des Geistes, der alle
Realität überschreitet, um zu ihr um so klarer, gefestigter, unbeirrbarer zurückzukehren.
Was Wahrheit sei und was diese Wahrheitsbemächtigung, das kann nicht einfach
hingesagt werden. Es wird im Leben der Universität offenbar, ohne je abgeschlossen
zu sein. Vorläufig erinnern daran Sätze wie folgende:
 
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