Die Idee der Universität [1946]
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ses Satzes. Wer die Bestimmtheit der Begriffe in eine schwankende Mannigfaltigkeit
verfließen läßt und wem der Widerspruch kein Einwand ist, der kann nicht einmal
sinnvoll sprechen. In jedem Satze erkennt er tatsächlich einen Augenblick die logi-
schen Voraussetzungen an, die er durch den Fortgang seines Sprechens verleugnet.
Man kann nicht mit ihm reden, muß ihn stehen lassen, er ist nicht besser als eine
Pflanze (Aristoteles).216
Und doch bleibt hier die Voraussetzung. Das heißt, es wird ein Fehler, wenn ich das
Erkennen zum Absoluten mache. Ich erkenne allein im Raum der Geltung der logi-
schen Regeln. Aber was ich so erkenne, ist, weil unter dieser Bedingung, nicht das Sein
an sich. Erkennen und Erkenntnisinhalte sind Aspekte des Seins, wie sie unter den Be-
dingungen der Verstandeslogik sich zeigen.
b) Voraussetzung ist, daß Wissenschaft sein soll. Die Bejahung der Wissenschaft ist
nicht wissenschaftlich zu begründen. Keine Wissenschaft kann dem, der ihren Wert
leugnet, ihren Wert beweisen. Das ursprüngliche Wissenwollen gründet sich in sich
selbst. Es will grundlos, aus einer Leidenschaft, deren Selbstbejahung Voraussetzung
der Wissenschaft bleibt.
| c) Voraussetzung ist im besonderen die Wahl des Gegenstandes. In der Endlosigkeit
des Möglichen wählt der Forscher sein Problem. Ein dunkler Instinkt, Liebe und Haß,
mögen Antriebe zur Auswahl sein. Es ist in jedem Fall Willensentscheidung, nicht wis-
senschaftliche Erkenntnis, die das Thema ergreift.
d) Im Forschen ist eine Voraussetzung die Führung durch Ideen, durch dieses Um-
greifende, das selber nicht Gegenstand wird außer durch »Schemata der Ideen«
(Kant),217 die in der Folge wieder verschwinden, weil sie in ihrer Verendlichung immer
auch falsch sind. Die Ideen bringen in das Ganze systematische Einheit, zeigen den
Weg, machen den Unterschied von wesentlich und unwesentlich, tief und oberfläch-
lich, bedeutend und unbedeutend, Ganzheit und Zerstreutheit. Sie sind das Umgrei-
fende,218 das die Nähe zur Sache bewirkt, Einfall und Entdeckung ermöglicht, dem Zu-
fall Sinn gibt. Die Vergeblichkeit des Endlosen wird in den tiefen Zusammenhang des
Unendlichen gebracht. Voraussetzung sinnvoller Wissenschaft ist das Leben der Ideen
im Forscher.
Dies sind die Voraussetzungen in allen Wissenschaften. Dazu kommen in den ein-
zelnen Wissenschaften besondere Voraussetzungen. Zum Beispiel:
Der gläubige Theologe kennt Wunder und Offenbarung. Das sind Inhalte, die ei-
nem empirisch wissenschaftlichen Erkennen unzugänglich, daher für dieses nicht-
existent sind. Jedoch nur in dem Versuch wissenschaftlichen Erklärens. Die »voraus-
setzungslose Wissenschaft mutet dem Gläubigen nicht weniger - aber: auch nicht
mehr - zu als das Anerkenntnis: daß, wenn der Hergang ohne jene übernatürlichen, für
eine empirische Erklärung als ursächliche Momente ausscheidenden Eingriffe erklärt
werden solle, er so, wie sie es versucht, erklärt werden müsse. Das aber kann er, ohne
seinem Glauben untreu zu werden.« (Max Weber.)219
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ses Satzes. Wer die Bestimmtheit der Begriffe in eine schwankende Mannigfaltigkeit
verfließen läßt und wem der Widerspruch kein Einwand ist, der kann nicht einmal
sinnvoll sprechen. In jedem Satze erkennt er tatsächlich einen Augenblick die logi-
schen Voraussetzungen an, die er durch den Fortgang seines Sprechens verleugnet.
Man kann nicht mit ihm reden, muß ihn stehen lassen, er ist nicht besser als eine
Pflanze (Aristoteles).216
Und doch bleibt hier die Voraussetzung. Das heißt, es wird ein Fehler, wenn ich das
Erkennen zum Absoluten mache. Ich erkenne allein im Raum der Geltung der logi-
schen Regeln. Aber was ich so erkenne, ist, weil unter dieser Bedingung, nicht das Sein
an sich. Erkennen und Erkenntnisinhalte sind Aspekte des Seins, wie sie unter den Be-
dingungen der Verstandeslogik sich zeigen.
b) Voraussetzung ist, daß Wissenschaft sein soll. Die Bejahung der Wissenschaft ist
nicht wissenschaftlich zu begründen. Keine Wissenschaft kann dem, der ihren Wert
leugnet, ihren Wert beweisen. Das ursprüngliche Wissenwollen gründet sich in sich
selbst. Es will grundlos, aus einer Leidenschaft, deren Selbstbejahung Voraussetzung
der Wissenschaft bleibt.
| c) Voraussetzung ist im besonderen die Wahl des Gegenstandes. In der Endlosigkeit
des Möglichen wählt der Forscher sein Problem. Ein dunkler Instinkt, Liebe und Haß,
mögen Antriebe zur Auswahl sein. Es ist in jedem Fall Willensentscheidung, nicht wis-
senschaftliche Erkenntnis, die das Thema ergreift.
d) Im Forschen ist eine Voraussetzung die Führung durch Ideen, durch dieses Um-
greifende, das selber nicht Gegenstand wird außer durch »Schemata der Ideen«
(Kant),217 die in der Folge wieder verschwinden, weil sie in ihrer Verendlichung immer
auch falsch sind. Die Ideen bringen in das Ganze systematische Einheit, zeigen den
Weg, machen den Unterschied von wesentlich und unwesentlich, tief und oberfläch-
lich, bedeutend und unbedeutend, Ganzheit und Zerstreutheit. Sie sind das Umgrei-
fende,218 das die Nähe zur Sache bewirkt, Einfall und Entdeckung ermöglicht, dem Zu-
fall Sinn gibt. Die Vergeblichkeit des Endlosen wird in den tiefen Zusammenhang des
Unendlichen gebracht. Voraussetzung sinnvoller Wissenschaft ist das Leben der Ideen
im Forscher.
Dies sind die Voraussetzungen in allen Wissenschaften. Dazu kommen in den ein-
zelnen Wissenschaften besondere Voraussetzungen. Zum Beispiel:
Der gläubige Theologe kennt Wunder und Offenbarung. Das sind Inhalte, die ei-
nem empirisch wissenschaftlichen Erkennen unzugänglich, daher für dieses nicht-
existent sind. Jedoch nur in dem Versuch wissenschaftlichen Erklärens. Die »voraus-
setzungslose Wissenschaft mutet dem Gläubigen nicht weniger - aber: auch nicht
mehr - zu als das Anerkenntnis: daß, wenn der Hergang ohne jene übernatürlichen, für
eine empirische Erklärung als ursächliche Momente ausscheidenden Eingriffe erklärt
werden solle, er so, wie sie es versucht, erklärt werden müsse. Das aber kann er, ohne
seinem Glauben untreu zu werden.« (Max Weber.)219
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