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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0207
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Die Idee der Universität [1946]

nend, repräsentiert das Ganze der Wissenschaften, und er hat Ehrfurcht vor diesem
Ganzen; er erwartet von diesem etwas zu spüren und durch dieses Ganze eine begrün-
dete Weltanschauung zu finden. Der Weg zur Wahrheit soll ihm aufgetan, die Welt und
die Menschen sollen ihm klar werden, und das Ganze soll sich ihm in einer unendli-
chen Ordnung, einem Kosmos, darstellen. Wissenschaftliche Arbeit ist der Idee nach
geistig, d.h. sie ist bezogen auf das Ganze des Wißbaren.
Auch damit ist die Jugend noch nicht zufrieden. Der junge Mensch fühlt das Le-
ben ernster, weil für ihn selbst noch entscheidungsvoller, als in späterem Alter, er fühlt
sich bildsam und voller Möglichkeiten, ist sich bewußt, daß es zu gutem Teil an ihm
liegt, was aus ihm wird. Er fühlt, daß es auf die alltägliche Lebensführung ankommt,
auf jede Stunde und jede innere Regung seiner Seele. Der junge Mensch will erzogen
sein, sei es in Unterwerfung unter einen Meister, sei es in Selbsterziehung, sei es in
kämpfender und liebender Kommunikation mit Gleichstrebenden.
Die Erwartungen werden an der Universität selten erfüllt. Der erste Enthusiasmus
hält nicht stand. Vielleicht war sich der Student nie recht klar, was er wollte und was
er tat. Jedenfalls gerät er in Enttäuschung und dann in Verwirrung. Er gibt das eigent-
liche Streben auf und verrennt sich in Sackgassen: er lernt zum Examen und beurteilt
alles nur danach, was es für das Examen bedeutet; die Studienzeit empfindet er als pein-
liche Übergangszeit zur Praxis, von der er nunmehr das Heil erwartet; er erklärt, er sei
wohl zu dumm, verstehe das Wesentliche doch nicht und resigniere für einen Fachbe-
ruf; oder er übersteigert seinen früheren Enthusiasmus zu bloßer Schwärmerei, wird
in der Arbeit fauler, will die Idee, das Ganze, das Tiefste direkt erfassen ohne die ihm
widerwärtige Mühe, in der er nur Unwichtiges zu ergreifen meint; er hält das Lesen ei-
niger schöner Bücher für wissenschaftliche Arbeit, und er verkehrt das Streben schließ-
40 lieh so sehr, daß er Erbaulichkeit | statt Wissenschaft sucht und das Katheder als Kan-
zel ansehen möchte.
Den Einzelnen führt in glücklichen Fällen sein persönlicher Genius den rechten
Weg, d.h. einen Weg, der in sich Entwicklung und Zielhaftigkeit hat. Zuletzt gilt auch
hier: am weitesten kommt, wer nicht weiß, wohin er geht.84 Eine Betrachtung unter
der Idee eines Ganzen kann niemandem den Weg direkt zeigen. Aber die Betrachtung
kann die Möglichkeiten fühlbar, Grenzen deutlich machen, Verwechslungen verhin-
dern. Wer Wissenschaft will, wird auch hier, in den Fragen der Führung, Ordnung und
Zielsetzung seiner geistigen Arbeit, nachdenken. Denn der Wille zum Wissen ist zu-
gleich ein Wille zur Helligkeit im eigenen Tun. Dieses Streben für die geistige Existenz
durch Klarheit zu unterstützen, dienen unsere Erörterungen.
Die Universität verlangt dreierlei: Unterricht für die besonderen Berufe, Bildung
(Erziehung), Forschung. Die Universität ist Fachschule, Bildungswelt, Forschungsan-
stalt. Zwischen diesen drei Möglichkeiten hat man ein Entweder-Oder aufgestellt und
gefragt, was man denn eigentlich von der Universität wolle; alles könne sie nicht lei-
sten, man müsse sich für einen Zweck entscheiden. Man fordert eine Auflösung der
 
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