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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0213
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Die Idee der Universität [1946]

hungseinheit ist durch eine gesellschaftliche Einheit gegeben, z.B. die Kirche, den
Stand, die Nation. Erziehung ist die Weise, wie die besonderen gesellschaftlichen Ge-
stalten durch die Generationen hindurch sich selbst erhalten. Darum wandelt sich mit
gesellschaftlichen Umwälzungen auch die Erziehung und wenden sich Erneuerungs-
versuche zuerst den pädagogischen Fragen zu. Darum wird auch das Nachdenken über
Sinn und Mittel der Erziehung ganz von selbst bis zu Staat und Gesellschaft geführt,
und Entwürfe wie Platos Staat38 sehen staatliche und Erziehungsorganisationen zu ei-
ner großen Einheit zusammenfallen. Die Erziehung prägt den Einzelnen zum Glied
des Ganzen, und das Ganze ist Mittel der Erziehung des Einzelnen.
Sehen wir uns einige Seiten der Erziehung in bezug auf ihre historische Wandel-
barkeit an. Die Inhalte des Unterrichts werden gewählt nach den Bedürfnissen der je-
weiligen Gesellschaft: theologisches Wissen beim Priesterunterricht, sprachliche
Kenntnisse und Fertigkeiten bei humanistischen Bedürfnissen, die mythischen In-
halte der Dichter beim griechischen Kaloskagathos.14 Heute sind soziologische, öko-
nomische, technische, naturwissenschaftliche und geographische Kenntnisse betont
wichtig. Die Erziehung wechselt mit den Bildungsidealen. Die Schulinstitutionen sind
selbst ein Abbild der soziologischen Struktur; es gab Standesschulen, Ritterakademien,
Privatunterricht der Aristokraten und Patrizier. Alle Demokratie verlangt gemeinsame
Erziehung, weil nichts die Menschen so sehr gleich macht als die gleiche Erziehung.
Sehen wir nun von der soziologischen und historischen Bedingtheit ab und suchen
wir sachliche Grundformen der Erziehung auf, so zeigen sich folgende drei Möglich-
keiten:
a) Scholastische Erziehung:39 Die Erziehung beschränkt sich auf das bloße »tra-
48 dere«.4° Der Lehrer reproduziert nur, ist nicht | selbst lebendiger Forscher. Der Lehr-
stoff ist System. Es gibt autoritative Schriftsteller und Bücher. Der Lehrer wirkt unper-
sönlich, nur als Vertreter, der durch jeden anderen ersetzbar ist. Der Stoff ist in Formeln
gepreßt. Im Mittelalter diktierte man und kommentierte. Das Diktieren fällt heute fort,
da es durch Bücher ersetzbar ist. Der Sinn ist auch noch heute denkbar. Man ordnet
sich einem Ganzen unter, in dem man geborgen ist, ohne sich einer einzelnen Persön-
lichkeit zu verschreiben. Das Wissen ist als ein geordnetes Weltbild endgültig fixiert.
Die Gesinnung ist: man will das Feste lernen, die Ergebnisse sich aneignen, »schwarz
auf weiß nach Hause tragen«.41 - Das Scholastische bleibt eine unumgängliche Basis
der rationalen Tradition.
b) Meistererziehung:42 Maßgebend ist nicht eine unpersönliche Tradition, sondern
eine Persönlichkeit, welche als einzig empfunden wird. Die ihr gezollte Verehrung und
Liebe haben einen Zug der Anbetung. Die Distanz in Unterordnung setzt nicht nur ei-
nen Unterschied des Grades, nicht nur einen Unterschied der Generationen, sondern
einen qualitativen Unterschied. Die Autorität der Persönlichkeit hat eine wunderbare
Kraft. Das Bedürfnis nach Unterordnung, das Bedürfnis, der Verantwortung zu entge-
hen, die Erleichterung im Sichanhängen, die Steigerung des sonst geringen Selbstbe-
 
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