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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0214
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Die Idee der Universität [1946]

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wußtseins durch die Zugehörigkeit zu einem solchen Bunde,237 das Verlangen nach
strenger Erziehung, die aus eigener Kraft nicht gelingt - solche Motive finden sich zu-
sammen.
c) Sokratische Erziehung:44 Lehrer und Schüler stehen dem Sinn nach auf gleichem
Niveau. Beide sind der Idee nach frei. Es gibt keine feste Lehre, sondern es herrscht das
grenzenlose Fragen und das Nichtwissen im Absoluten. Die persönliche Verantwor-
tung wird damit auf das äußerste gebracht und nirgends erleichtert. Die Erziehung ist
eine »mäeutische«,45 d.h. es wird den Kräften im Schüler zur Geburt verholten, es wer-
den in ihm vorhandene Möglichkeiten geweckt, aber nicht von außen aufgezwungen.
Nicht das zufällige, empirische Individuum in seiner besonderen Artung kommt zur
Geltung, sondern ein Selbst, das im unendlichen Prozesse zu sich kommt, indem es
sich verwirklicht. Dem Drange der Schüler, den Lehrer zur Autorität und zum Meister
zu machen, widersteht der sokratische Lehrer als der größten Verführung der Schüler:
er weist | sie von sich auf sich selbst zurück; er versteckt sich in Paradoxien, macht sich
unzugänglich. Es gibt nur kämpfende Liebe als Prozeß zwischen ihnen,37 nicht sich
unterwerfendes Anhängen. Der Lehrer weiß sich als Mensch und er fordert, daß der
Schüler Mensch und Gott unterscheide.
In allen drei Typen der Erziehung herrscht Ehrfurcht. Diese findet ihren Gipfel bei
der scholastischen Erziehung in einer Tradition, die zugleich in einer hierarchischen
Ordnung der Menschen leibhaft gegenwärtig ist; bei der Meistererziehung in der Per-
sönlichkeit des Meisters; bei der sokratischen Erziehung in der Idee des unendlichen
Geistes, in dem es auf eigene Verantwortung vor der Transzendenz zu existieren gilt.
Ohne Ehrfurcht ist keine Erziehung möglich. Bestenfalls kann ein betriebsames
Lernen übrigbleiben. Ehrfurcht ist die Substanz aller Erziehung. Ohne das Pathos ei-
nes Absoluten kann der Mensch nicht existieren, es würde ohne das alles sinnlos sein.
Dieses Absolute ist entweder universalistisch: der Stand, für den man erzogen wird,
oder der Staat, oder eine Religion in Gestalt der Kirche; oder es ist individualistisch:
Wahrhaftigkeit, Selbständigkeit, Verantwortung, Freiheit; oder es ist beides in Einem.
In dem Maße, als die Substanz fraglich wird, formalisiert sich die Erziehung. Die
Ehrfurcht wird künstlich hochgehalten durch bewußtes Geheimnis als Mittel der Obe-
ren, durch Forderung persönlicher Autorität und blinden Gehorsams, durch Weckung
der im Menschen liegenden Lust an Unterwerfung. Statt einer disziplinierten Arbeit
für die Substanz bleibt leere »Pflichterfüllung«. Statt des Agens um die besten Leistun-
gen entsteht der eitle Ehrgeiz, der in der Anerkennung und Zensierung das Endziel
sieht. An Stelle des Hineinwachsens in ein substantielles Ganzes tritt bloßes Lernen
von Dingen, die nützlich sein können. Statt bejahter Bildung unter einem Ideal bleibt
der Erwerb von schnell wieder zu vergessenden Kenntnissen für ein Examen, durch
welches Bildung bescheinigt wird.
Alle bewußte Erziehung kann die Mittel suchen. Aber sie setzt Substanz voraus.
Ohne Glauben gibt es keine echte Erziehung, sondern bloße Unterrichtstechnik.

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