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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0219
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Die Idee der Universität [1946]

bliebe. Der Lehrer zeigt sich unbeabsichtigt in seinem Denken, seinem Ernst, seinem
Fragen, seiner Betroffenheit. Er läßt wirklich an seinem geistigen Innern teilnehmen.242
Aber dieser hohe Wert ist verloren, wenn er gewollt wird. Dann entsteht sogleich Zie-
rerei, Rhetorik, Pathetik, Künstlichkeitsformeln, Effekte, Demagogie, Schamlosigkeit.
Daher gibt es keine Regeln, wie eine gute Vorlesung zu machen sei. Es gibt keine andere
Regel als die Sache ernst zu nehmen, die Vorlesung als einen Höhepunkt der Berufslei-
stung mit voller Verantwortung zu halten, im übrigen auf alle Kunst zu verzichten. Es
hat sich gezeigt - in den anderthalb Jahrhunderten bedeutender Vorlesungen von Kant
bis Max Weber daß sogar Stocken und Fehler der Sprache, grammatisch unvollstän-
dige oder falsche Sätze, unvorteilhafte Stimme den tiefen Eindruck nicht zu stören ver-
mögen, wenn die Substanz eines geistigen Wesens sich mitteilt. Wir können nur im
schwachen Abglanz von Schilderungen und Kollegheften Kenntnis bekommen von
wirklichen Vorlesungen, die wir, soweit nicht eigene Erinnerung noch die letzten fest-
gehalten hat, doch soweit zu ahnen vermögen, daß sie uns Ansporn werden.
In den Übungen werden die Methoden im praktischen Umgang mit dem Stoff, den
Apparaten, den Begriffen im konkreten Fall zu eigen gemacht. Sie sind durch eigene
Initiative der Teilnehmer zu erweitern. Den größten Raum nimmt das Handwerkliche ein;
56 die Unterschiede des Unterrichts je nach Art der | besonderen Fächer und der notwendi-
gen technischen Mittel seien nicht näher erörtert. Eine feste didaktische Tradition ist in
vielen Fällen vorhanden, ist aber doch nur das Skelett, nicht das Leben des Unterrichts.
Die Übungen sollen unmittelbar an die Sachen und an die Gründe der Erkenntnis
führen. Zwischen Kursen, welche nur schulmäßig etwas tradieren (und welche eine
Anpassung sind, wenn die geistige Initiative von Studenten, die die höhere Schule be-
sucht haben, nicht genügt, das Lernen in eigener Arbeit gut und schneller zu leisten),
und dieser Lehre ist grundsätzlich zu unterscheiden: Diese geht im besonderen indi-
rekt auf das Ganze. Zwar wird beiläufig auf Lehrstoffe Bezug genommen, die auch kurz
vergegenwärtigt werden, um den Teilnehmern zum Bewußtsein zu bringen, wo sie
nachzuholen haben. Aber das Wesentliche bleibt, das Verständnis durch eigene Mit-
arbeit an der Grenze neuer Forschungsmöglichkeiten zu üben. Die am einzelnen Ge-
genstand oder Problem in den Grund der Sache führende Arbeit, bei der die allgemei-
nen Lehrbuchkenntnisse als vorhanden angesehen werden, gibt den Antrieb für die
Arbeit der Studierenden. Das bloße Lesen von Lehrbüchern ermüdet; die Fesselung an
einen einzelnen Gegenstand beschränkt. Das eine macht das andere lebendig.
Schließlich sind eine Form der Lehre die Diskussionen. In kleinen Kreisen werden un-
ter aktiver Teilnahme aller Glieder prinzipielle Fragen erörtert und die Grundlage ge-
schaffen, auf der jeweils zwei zu einer ernsthaften Diskussion in bewegtem Hin und Her
bis zum letzten unter vier Augen veranlaßt werden können. Hier treten Lehrer und Stu-
dent sich - wie überall der Idee nach - auf gleichem Niveau gegenüber, gemeinsam in
dem Bemühen, dem Geiste in klarer, bewußter Gestalt Gegenwart zu verschaffen, und
um die Impulse zu wecken, die allein in einsamer Arbeit zu objektiven Leistungen führen.
 
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