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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0223
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Die Idee der Universität [1946]

nem Leben der Wahrheit. Denn die Universität ist nicht eine dirigierte, nach Plan und
Absicht regelmäßig laufende Schule.
Daher ist die Weise der an der Universität stattfindenden Kommunikation eine Sa-
che der geistigen Verantwortung aller ihrer Glieder. Das behutsame Sichabschließen,
die Verwandlung der Kommunikation in unverbindliche Geselligkeit, der Formen we-
sentlichen Verkehrs in verschleiernde Konventionen ist immer zugleich ein Absinken
des geistigen Lebens. Bewußte Reflexion auf die Weisen der Kommunikation kann den
Weg für diese frei halten.

61 11. Disputation und Diskussion
In der Sphäre der Wissenschaft besteht die Kommunikation als Diskussion. Was wir
gefunden haben, teilen wir mit, aber der Prozeß der Kommunikation beginnt mit dem
Infragestellen. Dieses bewegt sich in fachmäßigen Einzelerörterungen, erst an der
Grenze wird es letztes Infragestellen, wird es philosophisch. Hier unterscheiden wir
zwei Gestalten:
a) In der logischen Disputation werden feste Prinzipien vorausgesetzt. In formaler
Weise werden daraus Folgen abgeleitet und der Gegner mit dem Satze des Wider-
spruchs unter Mitwirkung zahlloser Kniffe, die die logische Eristik62 seit dem Altertum
bewußt gemacht hat, geschlagen. Einer siegt, die Stimmung der Disputation ist durch-
aus die Einstellung: wer Recht behält. Das Ende ist bei diesem Machtkampf - der übri-
gens in seinen Folgen für die formale Klarheit höchst nützlich sein kann, wenn er auch
dem geistigen Ganzwerden gar nicht dient -, irgendwo der Abbruch der Kommunika-
tion nach dem Satze: Contra principia negantem non est disputandum.63
b) In der Diskussion als geistiger Kommunikation gibt es keine festen Prinzipien
und keinen bis zum Siege festgehaltenen Standpunkt. Was man selbst, und was der an-
dere als Prinzip voraussetzt, will erst gesucht werden. Man will klar werden über das,
was man eigentlich meint. Und jedes gefundene Prinzip ist Ausgangspunkt neuer Be-
wegung, wenn nicht das Letzte eine Frage bleibt. Man zeigt sich gegenseitig die Vor-
aussetzungen, die man implizite machte, und arbeitet in der Diskussion an einer ge-
meinsamen, klarer werdenden Anschauung. Es gibt kein Ende. Es gibt keinen Sieg.
Jeder, der in die Lage kommt, Recht zu behalten, bekommt gerade dadurch Mißtrauen.
Jedes Ergebnis ist nur Stufe.
Echte Diskussion, die keine Grenze kennt, gibt es nur zu zweien unter vier Augen.
Schon der dritte stört, verwandelt leicht die Diskussion in Disputation, weckt die
Machtinstinkte. Aber wir diskutieren trotzdem mit Vorteil auch in größerem Kreise. Hier
wird vorbereitet, was im Gespräch zu zweien vollendet wird, hier werden Stellungen dar-
gelegt, Standpunkte entwickelt, es werden Ausführungen der Einzelnen aneinander ge-
reiht, nicht scharfe Diskussion versucht, die nur in schnellem Wechselgespräch gedeiht;
62 es wird kein Ergebnis gesucht. Daher | gibt es auch spezifische Regeln für die Diskussion
 
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