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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0230
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Die Idee der Universität [1946]

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nähme in eine institutionell gesicherte Tradition, damit sie | auch den Nachfahren 70
Weckung, Lehre, Gegenstand wird. Wissenschaftliche Leistungen im besonderen sind
gebunden an materielle Mittel, die dem einzelnen selten zur Verfügung stehen, und
an Zusammenarbeit vieler, die nur durch eine dauernde Institution ermöglicht wird.
Daher ist uns die Universität als Institution so wichtig. Wir lieben die Universität,
soweit sie die institutionelle Wirklichkeit der Idee wird. Sie ist trotz aller Mängel de-
ren Stätte. Sie gibt uns die Daseinsgewißheit des geistigen Lebens in Gemeinschaft. Es
ist eine eigentümliche Befriedigung in der Zugehörigkeit zur Korporation, sei es auch
nur ehrenhalber, und es ist ein Schmerz, von ihr ausgeschlossen oder ausgestoßen zu
werden.
Der Studierende und der Professor sollen die Universität nicht als zufällige staatliche
Institution, nicht als bloße Schule und nicht als eine Berechtigung erteilende Maschi-
nerie ansehen, sondern der Idee der Universität teilhaftig werden, dieser abendländischen,
übernationalen, hellenisch-deutschen Idee.83 Diese Idee ist nicht handgreiflich faßbar,
nicht äußerlich sichtbar, nicht laut, sie glimmt in der Asche der Institutionen und
flammt von Zeit zu Zeit in einzelnen Menschen und Gruppen von Menschen heller auf.
In ihr zu leben, verlangt nicht immer Zugehörigkeit zur staatlichen Institution. Aber die
Idee drängt zur Institution und fühlt sich in der Isolierung des Einzelnen unvollkom-
men und unfruchtbar. In ihr zu leben, nimmt ihn auf in ein Ganzes.
Das alles aber darf nicht zu dem Hochmut führen, die Universität sei die einzige
und eigentliche Stätte geistigen Lebens. Wir, die wir die Universität lieben als den
Raum und das Haus unseres Lebens, dürfen die Besonderheit und Beschränktheit der
Universität nicht vergessen. Das Schöpferische entsteht in häufigen Fällen außerhalb
der Universität, wird von dieser zunächst abgelehnt, dann aber angeeignet, bis es die
Herrschaft gewinnt. Der Renaissancehumanismus entstand außerhalb und gegen die
scholastischen Universitäten. Als dann die Universitäten humanistisch, dann philo-
logisch geworden waren, entstand die philosophische und naturwissenschaftliche Er-
neuerung im 17. Jahrhundert wieder außerhalb (Descartes, Spinoza, Leibniz, Pascal, Kep-
ler). Als die Philosophie in der Gestalt des Wolffianismus91 in die Universität gedrungen
war, entstand der Neuhumanismus wieder außerhalb (Winckel\mann, Lessing, Goethe), 71
eroberte dann aber schnell durch große Philologen (F.A. Wolf) die Universität. Auch
kleinere Neuerscheinungen entstehen nicht selten außerhalb und werden von der Uni-
versitätswissenschaft lange abgelehnt, so die marxistische Soziologie, so vor Jahrzehn-
ten der Hypnotismus,92 der jetzt längst ein anerkanntes Tatsachengebiet dar stellt, oder
die Graphologie,93 die erst anfängt, an der Universität beachtet zu werden, die verste-
hende Psychologie,94 wie sie von Kierkegaard und Nietzsche entfaltet wurde. /. Grimm
schreibt (KL Sehr. Bd. I, S. 242): »An Universitäten herrscht eine ansehnliche Buchge-
lehrsamkeit, die sich hebt und fortträgt, aber ungewöhnliche Arbeiten, ehe sie Gel-
tung erlangt haben, vorläufig abweist. Universitäten sind Gartenanlagen, die ungern
etwas wild wachsen lassen.«95 Wenn eine neue geistige Richtung geschaffen ist, so be-
 
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