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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0252
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Die Idee der Universität [1946]

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Stellung in der allgemeinen deutschen Biographie zwei Seiten oder mehr einnimmt,
stammen zu 83,2 % aus den oberen Ständen, zu 16,8 % aus den niederen (Handwer-
ker, Bauern, Proletarier). Von denen, die aus niederen Ständen kommen, werden 32,7%
Künstler, 27,8 % Akademiker, 14,6 % Pfarrer, die übrigen Berufe beteiligen sich nur mit
kleinen Zahlen. In jenen Jahrhunderten übertraf die Gesamtzahl der Menschen der
niederen Stände die der höheren gewaltig. Die deutsche | Kultur wurde von einer 99
Schicht einiger Zehntausende von Menschen gegenüber den Millionen der übrigen
getragen. Würde man meinen, die höheren Begabungen kämen von Natur den obe-
ren Schichten zu, so wäre das ein offenbarer Irrtum. Man wird vielmehr schließen, daß
bei den oberen Ständen die Bildungschancen, welche Voraussetzung höchster Leis-
tungen sind, erheblich günstiger liegen als bei den niederen. Wenn man aber bei sol-
chen Überlegungen voraussetzt, daß die Menschen der Anlage nach in allen Schichten
gleich geboren würden, und der Unterschied nur auf einem Unterschied der Chan-
cen beruhe, so wäre das voreilig. Wenn die biologischen Qualitäten durch die Art der
Zuchtwahl bestimmt sind, so könnten auch anlagemäßige Unterschiede von soziolo-
gischen Schichten, die eine alte Herkunft haben, bestehen. Der Mensch wird seinem
Wesen nach nicht einfach »geboren«. Es ist nicht gleichgültig, woher einer kommt. Al-
les Sein des Menschen ist ein Ganzes aus geborenem Eigenwesen und Geschichte. Kin-
der aus Familien, die eine durch Generationen hindurch überlieferte Bildung pflegen,
sind als Erwachsene ursprünglich anders als alle übrigen. Was in der Kindheit verlo-
ren war, ist niemals nachzuholen. Wer etwa in der Kindheit vom Adel des Griechen-
tums berührt wurde, hat in seiner Seele sein Leben lang ein Schwingen, eine Leichtig-
keit, einen Sinn für Rang und die Anschauung geistiger Höhe, die ohne das vielleicht
nie hätten entstehen können. Selbst größten geistigen Schöpfungen hängt ein We-
senszug dessen an, was der Mensch als Kind erfuhr. Fichte hat unfehlbar etwas Plebej-
isches trotz des hohen Schwunges seines Genies, der seinerseits wieder durch einen
Zug von Fanatisierung und Engstirnigkeit an das Subalterne streift. Der Wert der Tra-
dition ist keineswegs allein maßgebend für die Auslese, steht nicht einmal an bevor-
zugter Stelle. Aber dieser Wert der Tradition für das Wesen des Einzelnen darf nicht
ignoriert bleiben, wenn man wahrhaftig und gerecht sein will. Heute wurde ein uner-
setzliches kostbares Gut dieser Tradition gleichgültig vertan. Man konnte verführende
Sätze hören wie: »Das Vergangene war Glanz und Verhängnis. Jetzt handelt es sich um
etwas, das alle verstehen, an dem alle Anteil nehmen.«258 Mag sein und gewiß auch
richtig! Eine bestimmte Tradition kann nicht Bedingung sein, wo der Mensch aus tra-
ditionsloser Herkunft zu sich selbst zu bringen ist. | Aber er wird an die Tradition her- 100
angebracht werden müssen, wenn er sie auch als Erwachsener anders verarbeiten wird,
wie als Kind. Was jedoch »alle verstehen« ist gewiß nicht das ursprüngliche Wissen-
wollen. - Wenn, was aus dem Menschen wird, zum Teil durch eine lange, hartnäckige
Erziehung bedingt ist, durch Übung in Generationen, durch die Tradition einer Kul-
turfamilie, so ist das Wesentliche nicht etwa der Schulbesuch, den man durch Institu-
 
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