Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0302
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der übernationale Sinn der abendländischen Universität 227
stimmen durch die Gemeinschaft einer durch Leistung - und nur durch Leistung - er-
wiesenen Aristokratie.
In dieser Aristokratie, wenn sie echt ist, und wenn sie auf dem redlichen Wege von
Begabung, Arbeit und Leistung erwächst, erkennen sich die Völker wieder. Sie sind es
selbst, was hier eine kleine Gruppe von Menschen vertretungsweise für alle tut: das
grenzenlose Mühen um Wahrheit. Daß dies stattfinde, das wollen gebildete Völker.
Daß die Universitäten wirklich das sind, worin | die Völker sich wiedererkennen kön- 12
nen, das allein macht ihre Existenzberechtigung aus. Dann respektieren die Völker
ihre Universitäten und wollen deren Dasein.
Dazu kommt, daß die Arbeit der Universitäten nützliche Folgen hat (aber mit die-
sen sind sie nicht primär und nicht allein zu begründen): in dem auf Wissenschaft fun-
dierten technischen Können, - in der geistigen Bildung in allen durch sie vorbereite-
ten Berufen, aus denen die Humanität310 in Wechselwirkung sich in der gesamten
Bevölkerung steigert.
Die Autonomie der Universität ist Bedingung auch für diese nützlichen Folgewir-
kungen. In solcher Autonomie einer Anstalt zu leben, das bedeutet aber Teilnahme an
einem übernationalen und überstaatlichen Geist. Die Universitäten stehen in einer
Analogie zu den Kirchen. Der übernationale Charakter der Universitäten verwehrt ihre
unmittelbare Teilnahme an politischen Staatsinteressen, an nationalen Aufgaben und
Stellungnahmen, verwehrt ihnen Erklärungen und Entschlüsse, die allein staatlichen
Instanzen und den freien Völkern zustehen. Der übernationale Charakter besteht
nicht durch Organisation und zentrale Lenkung, sondern zeigt sich in der gegenseiti-
gen Berührung durch das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit über die gesamte
Menschheit in der gemeinsamen Diskussion, im Wetteifer des Lebens für das hohe Ziel
der Wahrheit, im gegenseitigen Verständnis für den Sinn des geistigen Aufschwungs.
Indirekt aber dienen die Universitäten ihren Staaten und Völkern gerade dann,
wenn sie völlig freigelassen sind: durch die Höhe der Ausbildung der ihnen anvertrau-
ten Jugend, durch den Ruhm ihres Geistes, der den Völkern zukommt, die solche Uni-
versitäten hervorbringen und sie als die ihren pflegen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften