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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0314
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Vom rechten Geist der Universität

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waltung der Erziehung befähigt sind. Es gibt in Deutschland solche Persönlichkeiten.
In Göttingen haben Rektor und Professoren kraft der von ihnen zu wahrenden Auto-
rität deutscher Universitätsüberlieferung gegen geistlose politische Gewalt, die sich
gar noch als demokratisch ausgab, mit Erfolg gekämpft. Die Universitäten in Deutsch-
land stehen latent oder faktisch im Kampf und müssen im Kampf stehen mit der Ge-
walt, die sie geistig, ohne es zu wollen, vernichtet. Ein Kompromiß ist nicht möglich
zwischen Mächten, wenn die eine wenigstens einen Kern substantieller Überlieferung
hat und geistig schaffend hervorbringt, die andere politisch bedingter Betrieb ist. Kom-
promiß könnte nur die Nivellierung und Verschulung der Universität, die Verwand-
lung ihrer selbst in Betrieb zur Folge | haben. Der Kampf muß geführt werden, bis die
Verwaltung selber vom Geist der Universität ergriffen und mit ihm solidarisch gewor-
den ist. Er kann, wie mir scheint, nur geistig und öffentlich geführt werden.
Wenn die von Coing mit so großem Recht und solcher Vehemenz erhobene Forde-
rung zum Erfolg führen soll, so ist daher außer dem Gelde etwas anderes notwendig:
der unverabredete, aber faktische persönliche Zusammenschluß der Minorität der
heute noch geistig wirklichen und verläßlichen Professoren und der zu dieser Welt ge-
hörenden zahlreichen Männer außerhalb der Universitäten. Sie allein könnten unsere
Hochschulen lenken durch das, was sie konkret zu sagen haben und selber sind. Ein
wirksames Bewußtwerden ist nur durch das Wagnis der Öffentlichkeit331 möglich. So wür-
den die Erwartungen, die in allen Kreisen der Bevölkerung bei den Minoritäten bereit-
liegen, geweckt. Menschen aus allen Berufen und Schichten würden am Kampfe um
den Geist teilnehmen können. Damit diese Öffentlichkeit nicht in abstrakten Erörte-
rungen sich erschöpft, sondern wirksam wird, wäre meines Erachtens die Aufhebung
des Amtsgeheimnisses für die Professoren notwendig. Daß dies Amtsgeheimnis besteht,
gibt den Regierungen ein unüberwindbares Übergewicht. Zwar wird das Amtsgeheim-
nis für den täglichen Verkehr bleiben müssen, der Ordnung und des Anstandes wegen.
Aber öffentlich, in der Presse und auf Fragen der Presse, müßte jeder Professor berech-
tigt sein, über seine Erfahrungen im Umgang mit den Ministerien Mitteilung zu ma-
chen mit seiner Namensunterschrift, und er selbst müßte bereit sein, sein Tun öffent-
lich erörtern zu lassen. Wer einfach Vertrauen hat, läßt die Dinge zu weiterem Unheil
treiben. Dieses Vertrauen, das als Zeichen eines patriotischen Staatsbürgers stets gefor-
dert wurde (es klingt mir seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts in den Ohren), ist
allzu oft getäuscht worden. Man will wissen und darf keine Verborgenheit dulden.
Nur einige zufällig gewählte und gänzlich ungenügende Bemerkungen habe ich
mir auf Ihre Frage erlaubt. Sie sollen gegen den verbreiteten Pessimismus, der sagt, es
helfe ja doch nichts, und gegen den Optimismus, es werde ja alles vortrefflich gehen,
hinweisen auf die Situation, die nicht nur die materiellen sehr großen Aufwendungen,
sondern im Geistigen etwas wie eine Umwendung fordert, in der die eigentlich legiti-
mierten geistigen Mächte zur Führung gelangen.

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Karl Jaspers, Basel
 
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