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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0316
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Das Doppelgesicht der Universitätsreform

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1. Zwei Aufgaben
Bauten, Einrichtungen der Institute, Seminare, Bibliotheken, Vermehrung der Stel-
len für Lehrkräfte, Fürsorge für Studenten, damit sie frei und mit allen Kräften ihrem
Studium nachgehen können - dies und anderes sind materielle Fragen, die durch Zur-
verfügungstellung des notwendigen Geldes materiell gelöst werden können. Man hat
wiederholt darauf hingewiesen, welche gewaltigen Mittel, zumal da das ganze Schul-
wesen einbezogen werden muß, erforderlich sind. Für die Zukunft des deutschen Vol-
kes sind Erziehung und Unterricht nicht weniger wichtig als Wehrmacht.332 Da aber
eine schlechte Verwaltung der Erziehung ihre unheilvollen Folgen erst im Laufe vie-
ler Jahre und Jahrzehnte zeigt, nach denen niemand mehr verantwortlich gemacht
wird, für den Augenblick aber das Dasein aller davon abhängt, daß es in einer mit Ge-
walt drohenden Welt geschützt wird, so haben die Politiker, Parlamente und Regie-
rungen ein viel geringeres Interesse für das Erziehungswesen als für die Wehrmacht.
Und beide werden an augenblicklich zwingender Wichtigkeit noch übertroffen von
der Sozialpolitik, die allen Staatsangehörigen in allen Gruppen sogleich fühlbare Vor-
teile bringen will, von deren Gewährung die Stimmen der Wähler abhängig sind. Der
Anspruch auf materielle Sorge für das gesamte Erziehungswesen tritt in den Hinter-
grund. Was für die Zukunft des geistig-sittlichen Ranges unseres Volkes das Wichtig-
ste ist, ist für den Augenblick das für die Politiker und die breite Bevölkerung am we-
nigsten Dringende.
Nehmen wir an, die staatlichen Mittel würden dank der Weitsicht von Staatsmän-
nern in der genügenden Menge bereitgestellt, so ist damit zwar die unentbehrliche Be-
dingung, nicht aber die Sache selbst geschaffen. Jene Mittel zu beschaffen ist Sache des
Staates, die Universitätsreform aber kann entscheidend nur von Männern der Universität aus-
gehen. Es kommt darauf an, wie die Mittel verwendet werden.
Hier aber handelt es sich um zwei Aufgaben: erstens die Planung der notwendigen
Bauten, die Gliederung des Massenzustroms in übersehbare Gruppen, die Aufgaben-
verteilung unter Professoren und Dozenten und Assistenten, die Umgestaltung der Or-
ganisation, die Setzung der Rechte, nach denen sie in juristischer Form arbeitet, und
vieles andere - und zweitens die Wiedergewinnung der Kraft der Idee der Universität, die
bis an | den Rand ihres Erlöschens geraten ist. Diese beiden Aufgaben stehen nicht ne- 79
beneinander, vielmehr muß die Idee der Universität die Führung haben, wenn es sich wirk-
lich um Reform der Universität in der neuen Situation handelt und nicht um Vollen-
 
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