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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0352
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

277

Unter den Wirkungen des Kampfes sieht man für die zwar in Wissenschaften sich
bewegende, nicht aber selber wissenschaftliche Wahrheit das Hellwerden durch den
Kampf selber, die in geistiger Verwandtschaft sich findenden oder in Abwehr durch
den Kampf sich verbindenden Menschen. Die Universität ist der Ort dieses Kämpfens.
Wer die Idee der Universität in ihrer gegenwärtigen Erscheinung der Wahrheit und
Wissenschaft folgt, wird die Gegensätze zu eigenen Positionen im Ringen um die
Wahrheit nicht nur dulden, sondern begehren.
Was bedeutet uns solcher Versuch historischer Herleitung? Die Bezugnahme auf
vergangene historische Realitäten der Universität und auf die Motive der Verwandlung
ihres Geistes kann das Bewußtsein von ihren gegenwärtigen Realitäten steigern. Auch
in der Erscheinung eines Vergangenen können wir die zeitlose Idee wahrnehmen.
Es gibt in der Geschichte aufzeigbare Wendepunkte, die, indem wir sie betonen, zu
dem hinführen, was wir gegenwärtig sehen und wollen. Was wir wollen, kommt nicht
aus dem Nichts, sondern aus dem Ursprung, der zugleich in der Erscheinung unserer
Herkunft fühlbar ist. Aber die historische Betrachtung rechtfertigt und begründet
nicht. Dies tut sie nur durch das, was in der Sache, quer zur Zeit, uns nicht mehr histo-
risch, sondern als giltig [sic] anspricht. Im Geschichtlichen kann das Gegenwärtige
sich wiedererkennen durch das Bleibende.
Ruinös aber für unsere geistige Verfassung wird es, wenn eine vergangene Erschei-
nung mit der Idee selber identifiziert wird. Das Bild unserer vergangenen deutschen
Universität unter der Herrschaft des klassischen »Deutschen philosophischen Idealis-
mus«, bei Verneinung und Ignorierung (nicht einmal mehr Opposition) seitens der
Naturwissenschaften, ist nicht das der | Humboldtuniversität.374 Es dafür zu halten und 21
die Universität des 19. Jahrhunderts mit ihrer ständig substanzloser werdenden Bil-
dung und geistigen Gespaltenheit als Vorbild anzusehen, ist ein verhängnisvoller Irr-
tum. Er verführt dazu, entweder dies an sich Fragwürdige und unwiederbringlich Ver-
gangene noch einmal haben zu wollen, oder die Idee Humboldts selber preiszugeben.
Das geschieht, für den Kundigen fast unbegreiflich, mit der heute geläufigen Formel:
Humboldts Idee der Universität trägt nicht mehr.
b) Die Idee kann soziologisch nicht begriffen werden
Soziologie sieht die Universität in der Abhängigkeit von Gesellschaft und Staat, deren
Wandlung auch die Erscheinung der Universität bestimmt. Dieser richtige und ergie-
bige Gesichtspunkt pflegt heute fälschlich zum maßgebenden zu werden. Die mo-
derne Massengesellschaft, der Bedarf an ausgebildeten Fachkräften für immer mehr
Berufe, die Durchdringung der Gesellschaft mit einer überwiegend technischen Wis-
senschaftlichkeit, die Steigerung der zur Durchführung von Forschung und Lehre not-
wendigen finanziellen Mittel, die in genügendem Umfang nur der Staat aufbringen
kann, die Vermehrung und enorme Vergrößerung der Institute und ihre Verwandlung
in Betriebe, die den industriellen Betrieben verwandt werden, die Tendenz zum Vor-
 
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