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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0388
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

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sitz an Gelerntem, sondern die Urteilskraft. Nicht das Wissen hilft, sondern die Fähig-
keit, durch eigene Initiative sich überall das erforderliche Wissen zu verschaffen, die
Fähigkeit, die Dinge denkend unter Gesichtspunkten aufzufassen. Diese Fähigkeit aber
wird nicht durch Erlernen von Wissensstoff erworben, sondern durch die Berührung
mit der lebendigen Forschung. Das schließt nicht aus, daß auch das Technische, das
didaktisch zu Ordnende des Stoffes gelernt werde. Dieses aber kann auf selbständiges
Bücherstudium abgeschoben werden. »Die hohe Schule ist kein Gymnasium«, sagte
man noch vor einem halben Jahrhundert.70 Auch ist es durchaus sinnvoll, im theore-
tischen Studium möglichst viele solche Stoffe heranzuziehen, die zugleich für spätere
Praxis wichtig sind. Aber das Wichtigste bleibt das Erfassen der Probleme und Frage-
stellungen, die Beherrschung der Methoden, der bewegliche Geist. Ausbildung zum
Forscher und Ausbildung zur Befähigung im praktischen Beruf ist dasselbe. Denn in
diesen Berufen ist jeder in der Weise des Umgangs mit seinen Aufgaben, in der metho-
dischen Denkweise ein Forscher, wenn er es gut macht. Forschung im Sinne des Fin-
dens neuer allgemeingültiger Erkenntnis ist etwas Großes, aber ihre Haltung ist von
der des Findens des rechten Tuns in der Praxis durch keine scharfe Grenze getrennt.
| Die Universität ist ihrem Namen nach Universitas V1 Das Erkennen und Forschen 71
besteht, wenn es in Facharbeit gedeiht, doch auch nur als ein Ganzes. Die Universität
verfällt, wenn sie ein Aggregat von Fachschulen wird, neben denen sie Liebhabereien,
sogenannte allgemeine Bildung und bodenloses Gerede als gleichgültige Verzierun-
gen zuläßt. Jede einzelne Wissenschaft existiert in Beziehung auf das Ganze der wis-
senschaftlichen Erkenntnis überhaupt. Darum ist es der Sinn der Universität, ihren
Schüler mit der Idee dieses Ganzen seiner besonderen Wissenschaft und der Idee des
Ganzen des Erkennens überhaupt zu erfüllen. All der Schulbetrieb, der Erwerb der Rou-
tine und des Stoffwissens wird dann schädlich, wenn er nicht durch die Idee der Wis-
senschaft bewegt bleibt.
Beide Momente, das Legen der Keime zur lebenslänglichen Entfaltung wissen-
schaftlichen Auffassens und Erkennens, und die Richtung auf das Ganze des Erkenn-
baren, sind die durch die Universität zu gebenden Voraussetzungen für alle geistigen
Berufe. Das sind die Berufe, die nicht allein auf Ausübung einer Technik und einer end-
lich bestimmten, zur sinnvollen Routine werdenden Fachlichkeit beruhen. Der Arzt,
der Lehrer, der Verwaltungsbeamte, der Richter, der Pfarrer, der Architekt, der Wirt-
schaftsführer und Organisator, alle sind im Beruf beschäftigt mit dem ganzen Men-
schen, mit der Totalität der Lebensverhältnisse, wenn auch jeder von ganz anderer
Seite her. Die vorbereitende Ausbildung für diese Berufe macht sie unmenschlich,
wenn sie nicht auf das Ganze führt, nicht die Auffassungsorgane entwickelt und den
weiten Horizont zeigt, wenn sie nicht »philosophisch« macht. Mängel in der Fachrou-

Der Name hatte ursprünglich den Sinn: Universitas der Lehrer und Schüler, ist aber längst im oben
gemeinten Sinn umgedeutet worden.
 
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