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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0424
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

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kann nichts erzwingen. Es ist stets eine Gefahr, wenn durch Institution geradezu ge-
macht werden soll, was nur wachsen kann. Was eigentlich zu tun ist, wird allein von
den Menschen geschaffen, die der Wahrheit dienen durch den Gang ihres Lebens in
der Kontinuität von Jahren und Jahrzehnten.
a) Die Institution ist notwendig
Die Schöpfung und Existenz des Einzelnen ist in Gefahr, wirkungslos zu vergehen. Sie
bedarf der Aufnahme in eine institutionell gesicherte Tradition, damit sie auch den
Nachfahren Weckung, Lehre, Gegenstand wird. Wissenschaftliche Leistungen im be-
sonderen sind gebunden an Zusammenarbeit vieler, die nur durch eine dauernde In-
stitution ermöglicht wird.
| Daher ist uns die Universität als Institution so wichtig. Wir lieben die Universität, 121
soweit sie die institutionelle Wirklichkeit der Idee wird. Sie ist trotz aller Mängel deren
Stätte. Sie gibt uns die Daseinsgewißheit des geistigen Lebens in Gemeinschaft. Es ist
eine eigentümliche Befriedigung in der Zugehörigkeit zur Korporation, sei es auch nur
ehrenhalber, und es ist ein Schmerz, von ihr ausgeschlossen zu werden.
Der Studierende und der Professor soll die Universität nicht als zufällige staatli-
che Institution, nicht als bloße Schule und nicht nur als eine Berechtigungen ertei-
lende Maschinerie ansehen, sondern der Idee der Universität teilhaftig werden, die-
ser abendländischen, übernationalen, hellenisch-deutschen Idee.83 Diese Idee ist nicht
handgreiflich faßbar, nicht äußerlich sichtbar, nicht laut. Sie glimmt in der Asche der
Institutionen und flammt von Zeit zu Zeit in einzelnen Menschen und Gruppen von
Menschen heller auf. In ihr zu leben, verlangt nicht immer Zugehörigkeit zur staatli-
chen Institution. Aber die Idee drängt zur Institution und fühlt sich in der Isolierung
des Einzelnen unvollkommen und unfruchtbar. In ihr zu leben, nimmt ihn auf in ein
Ganzes.
Das alles aber darf nicht zu dem Hochmut führen, die Universität sei die einzige
und eigentliche Stätte geistigen Lebens. Wir, die wir die Universität lieben als den
Raum und das Haus unseres Lebens, dürfen die Besonderheit und Beschränktheit der
Universität nicht vergessen. Das Schöpferische entsteht in häufigen Fällen außerhalb
der Universität, wird von dieser zunächst abgelehnt, dann aber angeeignet, bis es die
Herrschaft gewinnt. Der Renaissancehumanismus entstand außerhalb und gegen die
scholastischen Universitäten. Als dann die Universitäten humanistisch, dann philo-
logisch geworden waren, entstand die philosophische und naturwissenschaftliche Er-
neuerung im 17. Jahrhundert wieder außerhalb (Descartes, Spinoza, Leibniz, Pascal,
Kepler). Als die Philosophie in der Gestalt des Wolffianismus91 in die Universität ge-
drungen war, entstand der Neuhumanismus wieder außerhalb (Winckelmann, Les-
sing, Goethe), eroberte dann aber schnell durch große Philologen (F. A. Wolf) die Uni-
versität. Auch kleinere Neuerscheinungen entstehen nicht selten außerhalb und
werden von der Universitätswissenschaft lange abgelehnt, so die marxistische Sozio-
 
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